Heft 
(1987) 44
Seite
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dings rechnete sich Fontane seine Leistungen auch zum Verdienst an. Daher seine Erbitterung, als zu Beginn der siebziger Jahre seine Wunschvorstellun­gen Stück um Stück zunichte wurden. Das begann, als ihm die Weiterzahlung der 300 Taler abgelehnt wurde, mit denen seine Arbeit an denWanderungen" sieben Jahre lang unterstützt worden war. Er reagierte darauf im vertrauten Brief höchst bezeichnend.Wenn man sich nicht entschließen kann, mir zu sagen: wir bewilligen Dir aus freien Stücken in Anerkennung alles dessen, was Du der spezifisch vaterländischen Literatur in Prosa und und in Versen geleistet hast, 300 Taler jährlich auf Lebenszeit, wenn man sich nicht ent­schließen kann, endlich diese Anstandssprache mit mir zu sprechen, so will ich ihre 300 Taler nicht, so kann mir das ganze Kultusministerium mit seiner .altpreußischen Sechs-Dreier-Tradition' gewogen bleiben." 57 In ähnlichem Geist zog er das Resümee aus seinem deprimierenden Scheitern als Sekretär der Akademie der Künste. Die Achtungs-und Selbstachtungs­ansprüche, in denen er sich gekränkt sah, sind jetzt zwar bereits diejenigen einesetablierten deutschen Schriftsteller(s)", aber die Erwartungeines leichten, ehrenhaften und gut dotierten Amtes" 58 , mit der er dieser Äußerung zufolge in die Akademie eingetreten war, erinert noch sehr an den Wunsch nach einer gehobenen Sinekure. Es traf sich, daß Fontane zugleich mit dieser Illusion auch um die Hoffnung kam, das persönliche Wohlwollen seines Königs und Kaisers zu erringen oder nach der Akademie-Affäre wiederzugewinnen. Er hatte ihm Mal für Mal seine Kriegsbücher überreichen lassen und 1869 eine Ehrengabe von 80 Friedrichs d'Or erhalten, das waren mehr als tausend Mark. Aber für das Hauptwerk über den Deutsch-Französischen Krieg, das er Wil­helm I. hatte widmen dürfen, unterblieb die generöse Geste, auf die er mehr denn je Anspruch zu haben meinte.

Nach der Pension und der Sinekure hatte sich somit auch die dritte her­gebrachte Äußerungsform fürstlichen Mäzenatentums, die Dotation, für Fon­tane in ein Nichts aufgelöst. Seine Preisgabe des aufs Vaterländische, Preu­ßisch-Patriotische hin postulierten Mäzenatentums als Orientierungsgröße war die Folge; sie ist nachgerade gleichbedeutend mit seiner Wendung zum modernen Schriftsteller, der auf Gedeih und Verderb mit den Marktbedin­gungen für seine Texte zu rechnen hatte. Allem Anschein nach war damit auch der Damm gebrochen für die gleichzeitigen politisch-ideologischen Desillusio­nierungsprozesse.

Daß Fontane wirklich längst ein etablierter Schriftsteller war, hat ihm die stufenweise Lösung aus den alten Bindungen erleichtert. Seit Antritt des großen Englands-Aufenthalts haben die Fontanes keine Not mehr gekannt; selbst in kritischer Lage konnte er sich höchstens noch zum Spaß alsarmen Poeten" apostrophieren. 59Wir haben seit Anno 55, also seit 26 Jahren", schreibt er 1881,alljährlich über 2000, eine kurze Zeit lang gegen 3000 und als Durchschnitt 2500 bis 2700 Taler ausgegeben, ich kann dies unmöglich ein jämmerliches Leben nennen." 60 Diese Angaben dürften zutreffen, und noch zutreffender ist Fontanes Bewertung. Vergleicht man die Ziffern, die Lassalle für den Anfang der fünfziger Jahre den amtlichen Quellen dervaterlän­dischen Statistik" 61 entnommen hat, dann verfügten seinerzeit ganze 11400 von den 17 Millionen Einwohnern der preußischen Monarchie über ein Ein­kommen von mehr als 2000 Talern.Von hier ab (.. .) ist", so kommentierte

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