Moment Autonomie gegenüber dem außerliterarischen gesellschaftlichen Lebensprozeh, mit dem es vielmehr auf innigste verflochten bleibt. Aber in dem Mähe, wie es Literatur zu seinem Zweck und Mittel macht, ist das schriftstellerische vom Sozialverhalten allgemein unterschieden. Das Verhältnis und die Beziehungen, die sich im Einzelfall zwischen beiden herstellen, sind kennzeichnend für die Eigenart eines Autors und die Züge, die er mit anderen teilt. Beim Vergleich Fontanes mit Christian Friedrich Scherenberg, bei denen sich das schriftstellerische Verhalten vor allem mit dem politischen Verhalten und mit der Überwindung der sozialen Deklassierung amalgamierte, kommen die Gemeinsamkeiten nicht weniger klar zum Vorschein als die Unterschiede. Die ausschlaggebende Differenz dürfte in der gegensätzlichen Einstellung zu einem zeitgemäßen schriftstellerischen Tätigkeitsprofil zu suchen sein, die sie sich zu eigen machten.
Im Zentrum jenes schriftstellerischen Sozialverhaltens stehen die Erprobung geeigneter Tätigkeits- und Wirkungsbedingungen und ihre Ausgestaltung. Dabei geht es elementar um die Gewährleistung einer wenn möglich angemessenen Existenz sowie um die Interessierung einer Öffentlichkeit für die Texte und die Person des Verfassers. Unter diesen Aspekten profilieren sich die Beziehungen, die er zu anderen Autoren, zur Leser- bzw. Hörerschaft, zu den Personen und Institutionen aufnimmt, die den literarischen Verkehr abwickeln oder anderweitig beeinflussen. Die Zweckbestimmungen, mit denen er seine literarische Tätigkeit in der Gesellschaft verbindet, gehen ein in die allgemeinen Bestimmungen seiner Produktion: ihre Medien- und Gattungspräferenzen, ihre stilistischen, stofflichen und thematischen Dominanten.
Zweitens drängt sich die Interpretation des Verhaltensmusters „vaterländischer Schriftsteller" als einer Rolle auf, die sich Fontane zu eigen macht, um sie für seine Zwecke auf originelle Weise auszugestalten und schließlich aus ihr herauszutreten. Diese Rolle konkurriert oder verbindet sich mit einer Reihe weiterer Autorenrollen, die auf anderer Ebene liegen: dem Poeten (oder Dichter), dem Literaten in seinen Eigenschaften als Prosa-, Erwerbs- und Tagesschriftsteller, dem Journalisten und dem freien Schriftsteller; Fontane hat an ihnen ebenfalls partizipiert.
Das sind zunächst allgemeine Namen zur Bezeichnung spezieller Arten von Textproduzenten, Arten, die gesellschaftlich bedeutungsvoll und schulemachend wurden, weil sie zwischen der Produktion, Zweckbestimmung und Verwertung ihrer Texte bestimmte für sie maßgebliche Relationen einhielten. In diesem Tätigkeitsprofil bestand ihr Charakteristikum. Je nach ihrer sozialen Relevanz und Wertschätzung konnten von derartigen charakteristischen Tätigkeitsprofilen mit ihren Namen normative Wirkungen ausgehen und mit Sanktionen versehen werden; das Beispiel des Poeten/Dichters ist dafür bekannt. Fontane rechnete fest mit der positiven Sanktionierung der Tätigkeit des vaterländischen Schriftstellers in Preußen, zog dann aber auch ihre Durchkreuzung durch die negative Wertbesetzung des Literaten in Betracht, der er (im Unterschied zu dem Poeten Scherenberg) natürlich auch war: man hasse oben »die Schriftsteller, die sich mit Journalismus abgebenoder verachte sie. Dabei von Autorenrollen zu reden statt nur von den Tätigkeitsprofilen textproduzierender literarischer Berufsgruppen, empfiehlt sich nicht allein aus sprachlichen Gründen. Wer eine solche Tätigkeit ergreift, wird auch von ihr
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