Fragmenten unterschiedlichster Art, neuerdings der Genese der Erzählungen) ist daran ebenso beteiligt wie die in der 60er Jahren entstandene monumentale Biographie H.-H. Reuters, die erst 1983 vollständig gedruckte Dissertation Charlotte Jolles' „Fontane und die Politik" von 1938, die Text- und Interpretationsbände von H. Richter, H. Nürnberger und W. Müller-Seidel. Kein Vorstoß zu neuen Ufern der Forschung in diesen Arbeiten (die für andere auch stehen) darf verlorengehen — weshalb unser Archiv an einer umfassenden internationalen Bibliographie arbeitet — dennoch glaube ich einen entscheidenden methodologischen Neuansatz hervorheben zu dürfen, den diese Konferenz, ihre Vorarbeiten und Ergebnisse, in eine Debatte um eine neue Fontane- Biographie einbringt, und der, in gewandeltem Maßstab, ein Wiederanknüpfen- an die historisch orientierte Forschung der 30er und 40er Jahre bezeichnet.
Geht man davon aus, daß Fontanes Entwicklung vor dem Hintergrund epochaler Umbrüche der Gesellschaft zu sehen ist, deren Fernwirkungen bis in die Gegenwart reichen und dem Werk dieses märkisch-berlinischen Autors noch immer neuen Glanz hinzufügen (er wird erstaunlicherweise heute im fernen China ebenso wie in der englischsprachigen Welt, der Sowjetunion und anderen sozialistischen Staaten bekannt), so ist es gerade dieses weiterwirkende historische Moment, das zu untersuchen und auszuarbeiten bleibt. Die alte materialistische Frage nach der Klassenbindung dieses Werkes wird seit Jahren durch differenzierte kulturgeschichtliche und mediensoziologische Forschungen zur „Bismarck- und Bebelzeit" bereichert, die uns zwingen, Vermittlungen aufzudecken.
Hauptreferat und Koreferate unserer Tagung von 1986, die „schriftstellerisches Sozialverhalten" nicht als passive Rolle im geschichtlichen Prozeß verstehen (so sehr die Abhängigkeit von bestimmten Medien herausgearbeitet wurde), sondern auch die Versuche und Bemühungen Theodor Fontanes als ganz wesentlichen Beitrag zur Konstituierung ebenjener neuen Verhältnisse versteht, denen sich dieses Werk verdankt, können den Leser dieser Protokolle zu produktiver Neubesinnung führen, umreißen und besetzen meines Erachtens entscheidende Felder, von denen aus die bewegenden Widersprüche bei Fontane erklärbar werden (siehe die Kapiteleinteilung).
Man wußte seit langem, daß der für die Kreuzzeitung arbeitende Fontane in den 70er und 80er Jahren mit grundlegenden Ansichten, mit Verlegern, ja einem Teil seines Publikums bricht. Neu ist die Zusammenschau, die Korrespondenz zwischen den Teilbeiträgen und die Einsicht, daß dem ein Konzept vom „vaterländischen Schriftsteller" zugrundelag, das keineswegs schnell und radikal überwunden wurde, weil es zu tief in der Erfahrungswelt und den jahrzehntelangen Arbeiten Fontanes verwurzelt ist. Auch damals rang der Poet, der Pressemitarbeiter, der Literat um einen gesellschaftlichen Auftrag für sein Werk — aber zwischen 1860 und 1875, unter stark veränderten Bedingungen (nicht nur jenen grundlegend politischen der Nähe oder Ferne zur Revolution), die alle Bereiche seines Schreibens und Wirkens betreffen, stellte sich ihm die Frage neu. Die Konferenz-Referate beziehen den frühen und den späten Fontane ein. Selten bündelt sich das Für und Wider dieser Künstler- Biographie so faßbar wie in den Bemühungen und Überlegungen Fontanes um ein neues „Mäzenatentum" (Mitte der 80er Jahre), als die alten Bindungen
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