Heft 
(1987) 44
Seite
675
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Benutzers historisch-kritischer Ausgaben! vermag, nach der Feststellung eines Experten,aus bloßen Varianten den ersten Entwurf . .. neu erstehen zu las­sen" 22 . Bedenkt mein ferner, daß, nach der Erkenntnis eines anderen wissen­schaftlichen Editors und Editionswissenschaftlers,die gleichmäßige Reali­sierung edler vier Forderungen an eine Variantendarstellung Übersichtlich­keit, Stellenbezug, Schichtenbezug und Darstellung des dynamischen Verände- rungsVorgangs .. . fast dem Ansinnen einer Quadratur des Kreises" nahe­kommt 23 , dann empfiehlt sich bei der Planung und Vorbereitung einer neuen kritischen Ausgabe eine lange Phase der Vorüberlegungen, des Experimen- tierens und der Diskussion, eine Phase, in der die beteiligten Wissenschaftler so weit wie möglich unbelastet sein sollten von Termin- und anderen Zwängen. Das gilt auch für die bloße Modelledition eines Fontaneschen Romans, mit der man beginnen mag, allerdings mit Blick auf eine mögliche (und wünschbare) Ergänzung bis hin zur Gesamtausgabe wenigstens der Romane und Erzäh­lungen. Sofern die Herausgeber die Möglichkeit zur EDV-unterstützten Edi­tionsarbeit haben und in der Lage sind, das gesamte Zeugenmaterial mit allen Varianten elektronisch zu speichern, ist vor der endgültigen Entscheidung für die eine oder andere Apparatform die Methode despotentiellen Edierens" 24 dringend zu empfehlen.

Dem Vorschlag Hettches, nicht nurdie Varianten der ersten Drucke" (wie von Mugnolo praktiziert), sondern aucheventuell vorhandener Reinschriften" in einemtraditionellen Lesartenapparat" gemeint ist offenkundig ein (lemmatisierter oder nicht-lemmatisierter) Werkstellenapparat zu verzeich­nen, möchte ich aus praktischen Gründen zustimmen. Allerdings solltenRein­schriften" Mugnolo unterscheidet sie von den (gewöhnlich von Emilie Fontane geschriebenen, von Theodor Fontane häufig erneut stark korrigierten) Druckmanuskripten" 25 nur dann mit dem Erstdruck, d. h. in den meisten Fällen: dem Zeitschriftenvorabdruck, in direkte Beziehung gebracht werden, Wenn sie nachweislich als Satzvorlage verwendet worden sind oder wenn diese nicht oder nur fragmentarisch überliefert ist wobei die Möglichkeit, ja die Wahrscheinlichkeit nicht dokumentierbarer Korrekturen in Betracht gezogen werden muß. Da Fahnen- und Bogenkorrekturen sowie Satzvorlagen für Neu­auflagen im allgemeinen nicht erhalten geblieben sind, läßt sich der Anteil des Autors an der Veränderung eines Werkes vom Manuskript zum Druck und von Auflage zu Auflage meist nur vermuten. Sowohl Mugnolo wie Hettche gehen dieser Problematik aus dem Wege. Der eine erwartet auf Grund der vorliegen­den Studienausgabenkaum Berichtigungen zum Text" 26 , der andere geht davon aus,daß der Autor in jedem Fall die Drucklegung seines Textes überwacht hat und daß mithin der Textstand des Vorabdrucks bzw. der ersten Buchausgabe den vom Autor gewollten Text bietet" 27 .

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Die Annahme, daß ein Text, wenigstens weitgehend,gesichert" ist, wenn der Verfasser dessen technische Reproduktionüberwacht" hat, ist durchaus nicht nur im Falle Fontanes auch unter Editoren und Editionswissenschaftlern weit verbreitet. Gotthard Erler, der die textkritische Irrelevanz der sogenann­ten Dominik-Ausgabe von 1890/91 bündig nachgewiesen hat, führt deren