Fehlerhaftigkeit hauptsächlich darauf zurück, daß der Verleger „die Kontrolle des Textes wohl der Druckerei" überlassen und Fontane „den Druck ganz offensichtlich nicht überwacht“ habe. 28 Gewiß: Theodor Fontane hat sich auf seine „Penibilität in Drucksachen" 20 etwas zugute gehalten; wenn er „zehnmal geglaubt hat mit der Sache fertig zu sein", fand er immer wieder etwas zu „ändern, bessern, erweitern" 30 . Diese drei Verben aber drücken deutlich aus, mit welchen Augen ein Autor seinen Text betrachtet, wenn er ihn immer wieder kritisch unter die Lupe nimmt. Kontrolle eines Textes in der Absicht, die Übereinstimmung einer Abschrift oder des Schriftsatzes mit der Vorlage zu überprüfen, ist Sache des Korrektors, des Redakteurs, des Herausgebers; für den Autor, den schöpferischen Künstler bedeutet „Überwachung" — wenn dieser Ausdruck hier überhaupt am Platze ist — in erster Linie das Bestreben, den Zustand des Werkes immer mehr dem intendierten Ideal anzunähern; seine Korrekturtendenz ist prospektiv orientiert, während die Aufmerksamkeit des Herausgebers, Redakteurs oder Korrektors retrospektiv auf die Vorlage gerichtet ist. Aufgabe des mit der Korrektur des Satzes Befaßten ist es, Versehen des Setzers zu entdecken. Der Autor wird gewiß hin und wieder auch Druckfehler berichtigen und besonders solche Textentstellungen beanstanden, die er als (vorsätzliche oder fahrlässige) Eingriffe in seinen Sprachstil erkennt. In den seltensten Fällen aber wird er beim Korrekturlesen auf die Restitutio in integrum bedacht sein, es sei denn, eine solche bietet sich, ohne vergleichenden Rückgriff auf die ursprüngliche Fassung, von selbst an. Nicht selten aber entsteht aus einem vom Setzer verursachten Textfehler durch Autorkorrektur eine neue Variante der beschädigten Werkstelle.
Das hier aus den verschiedensten Einzelbeobachtungen abstrahierte Verfahren gilt uneingeschränkt für Fontane. Nichts rege ihn so auf „wie Correkturbogen", ließ der fast Siebzigjährige einmal seine Tochter wissen; „immer ist man in Angst, daß etwas ganz Fürchterliches stehn bleibt, ein Unsinn oder eine Lächerlichkeit oder eine Unanständigkeit." 31 Eine solche Angst ist von anderer Art als die vor schlichten Druck- oder Textfehlern. Andererseits konnte Fontane zur Verzweiflung gebracht werden, wenn der Setzer seinen Stilwillen nicht erkannte, wenn er Besonderheiten seines Sprachstils mißverstand oder mißachtete. Als im Sommer 1887 der Vorabdruck von „Irrungen, Wirrungen" in der „Vossischen Zeitung" vorbereitet wurde und Fontane die ersten sechs Bogen zur Korrektur erhalten hatte, da beschwerte er sich zweimal bei dem Chefredakteur des Blattes über die Nachlässigkeit oder die Willkür der Setzer: „Denken Sie, daß ich 20mal hintereinander ,und' korrigieren mußte. Natürlich schwankt die Redensart meiner verschiedenen Berliner Figuren, ganz so, wie es im Leben ist, zwischen ,un' und ,und' ... Und doch hätte das noch gehen mögen. Aber dann schreibt Lene einen Brief an Botho und schreibt ,emphelen', und Botho, der sich darüber freut, macht ein Strichelchen an den Rand, und ich meinerseits schreibe als' Sicherheitskommissarius an den Rand ,emphelen', ich glaube mit Ausrufungszeichen, und nach all diesen Vorsorglichkeiten steht richtig da .empfehlen' in furchtbarer Setzerkorrektheit, die hier leider so inkorrekt war wie möglich. Denn alle kleinen Betrachtungen Bothos, als er den Brief gelesen hat, drehen sich um dies falsche ,h', und in einem Schlußkapitel, als er die Briefe verbrennt, kommt er darauf zurück, und doch .empfehlen' statt .emphelen'. Und ähnliches mehrfach, um nicht zu sagen vielfach." 32
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