technische Darbietung der Ergebnisse nicht mit peinlichster Sorgfalt überwacht wird 111 ; denn wissenschaftliche Veröffentlichungen, nicht zuletzt die Apparate kritischer Ausgaben, sind noch mehr der Gefahr einer Deformierung ausgesetzt als »glatte' Erzählprosa. Zu diskutieren wäre, bis zu welchem Grade und nach welchen Methoden druckinterne Varianz ermittelt werden muß. Otfried Keiler hat im Vorwort zu Mugnolos „Vorarbeiten' darauf hingewiesen, daß die Fontane-Ausgabe des Aufbau-Verlages »nicht alle denkbaren Unterschiede bis hin zu Veränderungen im Plattendruck ermitteln konnte", und daraus weitgehende Schlußfolgerungen gezogen . 112 Die Ermittlung möglicher Varianz bei stereotypiertem Satz, und zwar nicht nur von Auflage zu Auflage, sondern auch zwischen verschiedenen Exemplaren derselben Auflage, hätte den Einsatz eines modernen Kollationsgerätes sowie die Verfügbarkeit über eine größere Anzahl Exemplare vorausgesetzt; für beides aber wäre eine internationale Kooperation erforderlich gewesen, wie sie nur bei zentralen Forschungsprojekten möglich ist. Audi verspricht die analytische Druckforschung — auf die bei der Vorbereitung einer historisch-kritischen Ausgabe gleichwohl nicht verzichtet werden sollte — für Fontane schon deshalb weniger Resultate als für andere Autoren, weil seine Bücher zu seinen Lebzeiten nur selten nachaufgelegt worden sind.
Ich breche hier ab. Meine Bemerkungen sind vielleicht — jedenfalls nach den gegenwärtig herrschenden Lehrmeinungen der germanistischen Editionswissenschaft — nicht auf die wichtigsten Probleme einer kritischen Fontane- Ausgabe gerichtet, wohl aber auf Probleme, die mir als einem Editionspraktiker wichtig genug erscheinen, um öffentlich zur Diskussion gestellt zu werden. Gerade weil zum gegenwärtigen Zeitpunkt sowohl die personellen, wissenschaftsorganisatorischen, finanziellen und technischen wie auch die theoretischen und methodologischen Voraussetzungen für eine umfassende kritische Fontane-Ausgabe noch nicht, zumindest nicht im ausreichenden Maße gegeben sind, sollte die Zeit für prinzipielle theoretische Debatten, praktische Experimente und Vorleistungen genutzt werden. Je intensiver das geschieht und je größer der Konsens ist, der sich dabei, hoffentlich, zwischen Fontaneforschern und Editionsspezialisten herausbildet, um so größer ist auch die Aussicht, daß eine solche Ausgabe nicht schon in statu nascendi jenen Keim in sich trägt, der sie früher oder später zum Editionstorso verkümmern läßt.
Anmerkungen
1 Köster, Albert: Prolegomena zu einer Ausgabe der Werke Theodor Storms. Berichte über die Verhandlungen der Sächsisdien Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Philologisch- historische Klasse. Leipzig 1918. Bd 70, H. 3, S. 1.
2 Ebd., S. 3.
3 Raabe an Edmund Sträter, 24. März 1890. — In: «In alls gedultig*. Briefe Wilhelm Raabes. Im Aufträge der Familie Raabe hrsg. v. Wilhelm Fehse. Berlin 1940, S. 249.
4 Fontane an Storni, 22. Mai 1868. — In: Theodor Storni — Theodor Fontane. Briefwechsel. Kritische Ausgabe. In Verbindung mit der Theodor-Storm-Gesellschaft hrsg. v. Jacob Steiner. Berlin (West) 1981, S. 126.
5 Ebd., S. 127 f.
6 Fontane an Wilhelm Hertz, 11. Dezember 1885. — In: Theodor Fontane, Briefe an Wilhelm und Hans Hertz. 1859—1898. Hrsg. v. Kurt Schreinert. Vollendet u. mit einer Einführung versehen v. Gerhard Hay. Stuttgart 1972, S. 282.
7 Thorpe, James: The Aesthetics of Textual Criticism. — In: Art and Error. Modern Textual Editing. Essays Compiled and Edited by Ronald Gottesman and Scott Bennett. London 1970, S. 88.
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