Heft 
(1889) 13
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Deutschland.

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indirekt dadurch, daß der Name Ibsen zur Fahne einer großen Bewe­gung geworden ist. Allerlei Dichter und Kritiker, ebenso allerlei Leute aus dem Publikum berufen sich für die verschiedensten Lebensanschan nngeil und Kunstrichtungen auf denselben Mann. Auch wer nicht in der Lage ist, in Ibsen blindlings den befreienden Dichter unserer Zeit zu verehren, auch wer inRosinershvlin" und in derFrau vom Meere" enr erhebliches Nachlassen der agitatorischen Kraft, wie der plastischen Schönheit beklagen muß, der wird unter allen Umständen dankbar dm für sein müssen, daß Ibsens machtvolle Erscheinung das Interesse an künstlerische Fragen wieder einmal geweckt hat. Diesem Interesse kommt die neue stattliche Ausgabe entgegen, von welcher vorläufig im ersten und dritten Bande sechs Dramen in den vorzüglichen Übersetzungen von Professor Hofsory, Frau von Borch, E. Klingenseld und Adolf Strödt mann vorliegen. -r.

Briefwechsel zwischen Ranch nnd Rietschcl. Heransgegeben von Karl Eggers. Erster Band. (Berlin, F. Fontane, 1800.)

Dieser Briefwechsel ist eine vorzügliche Quelle für alle diejenigen, die das reiche innere Leben der beiden großen Künstler nnd die äußere Geschichte ihrer einzelnen Werke kennen lernen »vollen. Mich bat vor allem das erstere interessiert: es ist wahrhaft rührend zu beobachten, wie Rauch ohne jeden Nachlaß die langen Jahre hindurch das regste In­teresse an allem nimmt, was seinen frühereit Schüler betrisst, wie er ihn eifrig in Rat und That fortwährend unterstützt, und mit welcher Ehr­furcht und Liebe andererseits Nietschet zu dem Lehrer aufblickt, wie er sich mit besonderer Innigkeit iir den Tagen des eigenen Unglücks an ihn klammert. Und einen vollen Einblick gewährt uns dieser Briefwechsel in das tragische Geschick, das den jungen Künstler traf, dem im Ver­lauf weniger Jahre zwei innig geliebte F-ranen durch den Tod entrisset: wurden. Wie erfreut uns der ernste, gesetzte Toi: der Briefe, in denen nichts von weibischem Jammer zu finde,: ist: vielmehr ist es immer wie­der die Arbeit nnd die Kunst, die Rietschel aufrecht erhält. Und ebenso erquickt uns der männliche Mut, dci: die Briefe au: Schlüsse des Ban­des atmen, da sich der erst sechsunddreißigjährige Künstler entschließt, znm drittenmal sein Lebensglück zu wagen und seinen zwei Kindern, die von zwei Verschiedenei: Müttern stammen, eine dritte gemeinsame zu geben. Auch sonst finden wir manche kernige Aussprüche der beiden Korrespondenten, die den Fürsten so vielfach nahe standen nnd sich doch in ihrem gesunden Urteil über sie nicht in: mindesten beirren ließen; de sonders bemerkenswert ist die überlegene Art, wie sie die Kunstlieb­haberei König Ludwigs I- von Bayern und seinen Abscheu vor dem Nackten behandeln. Das Buch, dem ein zweiter Band folgen wird, ist mit einem Lichtdruck der Büste, der Phototypie eines Briefes Rauchs und mehreren Hochätzungen versehen: ec- kann allen Freunden der Kunst warm empfohlen werden. l.

Siegfried von Eduard Sommer. (Danzig, Verlag von A. W. Kafemann, 1890.)

Diese Neubearbeitung des ewig jungen Stoffes rührt von einen: äußerst liebenswürdigen Talente her, das Meister ist in der Beherr­schung einer leichten, graziösen, oberflächlichen Form. Leider sind das Eigenschaften, die für den Siegfriedstvff kann: nötig sind, geschweige denn ansreichen. Nachdem Geister von der wuchtigen Kraft Hebbels nnd Jordans in ihrer Art mustergültige Werke geschaffen haben, können un­sere Ansprüche naturgemäß keine geringen sei::: denn wozu etwas sagen wollen, was auch nur ebenso gut schon gesagt worden ist? Eduard Sommer aber hat die genannten Vorgänger auch nicht annähernd er­reicht: er ist endlich in allen Punken hinter den: Nibelungenliede zurück­geblieben. Aber gerade das speeifisch Mittelalterliche, das uns ii: den: Stoffe fern liegt, hat der Verfasser geflissentlich ausgesucht, nnd in merk­würdiger Verblendung wählte er sich den Vers des höfischen Epos; den leichten Viertakter, der schon Wolfrain von Eschenbach in: sogenannten Titurel nicht inehr genügte, für die herbste aller Tragödien! Wie ge­sagt, er beherrscht den Vers und den Rein: virtuos, aber nichtsdestv weniger hinterläßt auch keine Zeile eine tiefere Wirkung: alles ist glatt, gewandt, konventionell! Die Behandlung des Stoffes ist von ratio nalistischer Plattheit: der Verfasser scheint nicht zu fühlen, wie er nach

Unterdrückung des Zanbertrankes eine solch ungeheure Schuld auf seinen Heldei: wälzt, der bei ihn: einfach niederträchtig handelt, daß wir alle Sympathie mit ihn: verlieren müssen. Möge der talentvolle Verfasser künftighin seinem Vorbilde Baninbach folgen und sich an weniger große und erhabene Stoffe machen; die Lorbeerei: Wolframs und Gottfried-:- werden ihn: nicht bcschieden sein. I.

Das arme Rußland. Ein Beitrag zur Kenntnis der wirt­schaftlichen Lage des russischen Reiches. Bon Hermann Ros ko schul). (Leipzig, Karl Rechner.)

Mit deutscher Gründlichkeit giebt der Verfasser im vorliegenden Buche, dessen einzelne Aufsätze uns znm Teil bereits ans Tagesblättcrn bekannt waren, ein Bild der soziale:: Verhältnisse unseres östlichen Nach­barlandes, indem er nicht nur die wichtigsten neueren Schriften über die Lage der Bevölkerung (wie das große Sammelwerk der Kommission znm Studium des Hausgewerbes in Rußland") in: Vergleiche heran zieht, sondern auch ans eigener Anschauung das Material zur Beurtei­lung einer den: deutschen Leser noch recht fremden Welt herbeibringt. Die russischen Romanschriftsteller, die dem großen Publikum gewöhnlich als Quellei: für seine Kenntnis zu dienen haben, und die in: allgemeinen mit anerkennenswerter Objektivität das Bild ihres Vaterlandes zeichnen, suchen gewöhnlich dei: Stoff ihrer Schilderungen in den höheren Stän den oder in: Mittelstände, besonders in jenen: geistigen Proletariat, aus den: die nihilistischen Verschwörer hervorgehen; aber nicht hier liegt schließlich der Kein: der Revolution, die das gewaltige Reich bedrohen mag, sondern in dem kläglichen Zustande, in dein sich das Gros des armen Rußlands" befindet. Stahl bemerkt einmal in seinerStaats­lehre," daß jeden: Menschei: nicht der gleiche Genuß, wohl aber ein Minimum an Genuß znkoinine, der russische Bauer würde seinen An sprach noch niedriger stellen, er verlangt nur die Möglichkeit der Ezistenz. Da klingt es fast wie Ironie, daß auf einem Boden, der so viel der ungehobelten Schätze in seinen: Innern birgt, die Landwirtschaft, das Rückgrat eines gesunden Staatswesens, ebenso verkümmern muß, wie das Kleingewerbe, das durch die künstliche Abgeschlossenheit, in der es gewattsam gehalten wird, nicht die Möglichkeit besitzt, eine lebensfähige Konkurrenz gegen ein durch künstliche Mittel großgezogenes Großgewerbe durchznführen. Das Wort von Victor Eonsin, daß der Staat ein fiih leitdes Herz haben müsse, findet wohl nirgends weniger Beachtung als in Rußland; man glaubt dort, durch Politische Borinünderei der Not­wendigkeit, die sozialen Fragen in die Hand zu nehmen, überhoben zu sein. Noskoschnys Buch ist außerordentlich instruktiv nnd durch die Ob­jektivität der Darstellung ein wichtiges Hilfsmittel für die richtige Be nrteilung der russischen soziale,: Zustände. Im.

Aspasia. Lustspiel in fünf Aufzügen von Adalbert Brunn. (Verlag von Rudolf Petzold, Dresden, 1889.)

Der Verfasser schreibt in seinem Vorwort:Es liegt in dem Eha- rakter dieses Lustspiels, in den: Leser die Vermutung zu erregen, als seien die darin anftretenden Personen Porträtzeichnnngen." Da irrt er sich aber gewaltig. Von den: Humor, der in den: Stücke herrscht, mag der folgende Passus, der einer Liebeserklärung folgt, eine Vorstellung geben:Moro: So laß Dich in meine Arme schließen, holde Zelia, himmlisches Mädchen, mein Engel, meine Braut! Zelia: Wie seit sain alles das klingt! Moro: Aber es berührt Dich doch nicht un­angenehm? Zelia: Ich glaube, ich bin schon daran gewöhnt. Doch erschrick auch Tu nicht zu heftig, wenn ich Dich meinen Bräutigam .nenne! Moro: Nie klang nur ein Wort süßer!" Oll, 2.) I.

Der Frosch. Fainiliendrama in einem Akt von Henrik Jpse. Denksch von Otto Erich. (Verlag von Carl Rechner, Leip­zig, 1889.)

Eine köstliche Parodie, welche nur einen verbohrten Jbsei:-Fana­tiker ärgern kann, welche dem Philister unverständlich bleibt und gerade den: besonnenen Verehrer des nordischen Meisters vollen Spaß bereiten kann. Freilich, etwas weniger wäre mehr gewesen; aber der lustige Schluß entschädigt wieder für einige Längen.

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Maut Huer in Berlin rv., Frobcnstraße 33. Druck und Verlag von Carl Flemming in Glogau.