Heft 
(1889) 13
Seite
213
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Erscheint Sonnallcndg

und ist in der Post-Zcitungspreislistc unter Nr. 1694 o eingetragen.

Berlin, den 28. Dezember.

Alroniltmeistspreis

bei der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.

Inhalt: An Theodor Fontane zum siebzigsten Geburtstage, den 3«. Dezember 1889. Von Paul Heyse. Das Nachtlager. Ein Bild ans dem Osten. Von Hermann Sndermann (Schlußi. Tic Grenzen der menschlichen Erkenntnis. Studie von Ile. Limnn (Fortsetzung). Tod und Unsterblichkeit. Von De. Theodor Jaensch. Hcroica. Von Carl Blcibtren (Fort' setznng). Theodor Fontane. Von Franz Servacs. Ein Religions-Roman. Von L. K. Eine Madonna von Gabriel Max. Von JnlinS Ev. Eduard Mörikc. Von Paul Ernst. Ter WcihnachtSdichtcr Lehmann. Eine Skizze von F. M. Kleine Kritik.

ZUM siebzigsten Geburtstage, den 30. Dezember s88s).

Sonntag war'- - lang, lang ist'- her, Vierzig Jahr' und etliche inehr;

Mir sproßte noch Kanin der erste Ilaum Da trat ich in den geweihten Raum,

Der Tunnel über der Spree" genannt,

Ivo Sonntags sich zusaniinenfand Ein Kranz Berlinischer Geisteslichter, Geheime und öffentliche Dichter,

Die fanden ein inniges Behagen,

Ihre neusten Verse sich vorzutragcn, Balladen, Oden, Lieder und Dramen Im Schutz erlauchter Dichternamen.

(Lessing, Immermann traf man dort, Bürger, Schenkcndorf und so fort.)

Darauf so ernsthaft als gemütlich That man an scharfer Kritik sich gütlich, Und schließlich ward reihum gefragt, wie Jedem die Leistung zugesagt,

Welche Lensur er verleihen möcht':

Gut sehr gut ziemlich oder schlecht. Das mußten sich hcrgebrachtermaszen Die würdigsten Herrn gefallen lassen.

Mir däuchte das ein kurioser Brauch,

Halt' aber doch sein Gutes auch,

Denn alt und jung und arm und reich vor der Kritik waren Alle gleich,

Und selbst der ält'ste Geheimerat Jür schlechte Verse Buße that.

(War freilich an Geheimeräten Kein Mangel unter den Tunnelpoeten.)

Mir grünem jungem Studentenblut Ward in dem Schwarm nicht wohl zu Mut, Hatte mir doch die Dichterwelt Ein wenig anders vorgestellt.

Da schwankte mit wiegendem Seemannstritt

An mir vorüber der dicke Smidt.

Ihm nickte zu sein treuer Gesell,

Der fette, blonde Hesekiel,

Und neben ihm schwieg stundenlang Der Mann, der Waterloo besang.

Mild lächelnd plauderte Schulrat Bormann, Stets anderer Meinung als sein Vormann. Lranz Kugler führte den Eulenstab,

Trat oft dem kleinen Merckel ihn ab,

Der sehr harmlose Satire trieb.

DenIrack des Herrn von Lhergal" schrieb. Auch Kriegern war die Muse geneigt,

Die sonst wohl unter den Waffen schweigt; Ireund Lepel glänzt' hervor aus ihnen;

Und bildende Künstler waren erschienen. Mein teurer Menzel, der nimmerdar Heimlicher Lyrik verdächtig war.

Doch ich, der unter den Letzten saß,

Iragte mich heimlich: Sind sie das?

Sind das die Tunnelgrößen alle?

Da ging die Thür, und in die Halle Mit schwebendem Gang wie ein junger Gott Trat ein verspäteter, frei und flott.

Grüßt' in die Runde mit Jeuerblick,

Warf in den Kacken das Haupt zurück, Reichte Diesem und Dem die Hand Und musterte mich jungen Jant Ein bißchen gnädig von oben herab.

Daß es einen Still- ins Herz mir gab. Doch: Der ist ein Dichter! mußt' ich sofort.

Silentium! Lafontaine hat's Wort.

Und wahrlich zeigte sich - bald genug,

Daßphöbus' Wort in mir kein Lug."

(Nachdruck mit Ouelleuaugnbe gestattet.1

Denn als am Tischlcin er nicdersaß Und hob nun an weiß nicht mehr, was, Ob's von denMännern und Helden" war, Oder Archibald Douglas gar.

Oder der Tag von Hemmingstedt

Weiß nur, wie gerne gelauscht ich halt'

Auf dieser beseelten Stimme Klang,

Da sie nun schwieg, noch stundenlang,

Und wacht' erst auf aus meinem Traum, Als um mich her im dämmrigen Raum DieSehr gut!" wurden eingesanimelt.

G sehr, sehr gut!" Hab' ich gestammelt.

Sehr gut!" Wie oft noch klang's im Thor Zu Deinem Licde, Ireund Theodor!

Wie manchmal sagt' ich's vor mich hin,

Seit ich hier unten heimisch bin,

Wenn mir von Dir ein Büchlein kam, Heimweh mich wieder gefangen nahm Nach unsrer Mark, so lieb und schlicht Wie einer Mutter Angesicht,

Das, ob's auch unscheinbar vielleicht,

Den Kindern immer das schönste däucht. Wie fühlte mein Herz sich wieder jung, Rahmst Du mich mit auf die Wanderung Durch Oderbruch oder Ost-Havelland

Der Wagen ächzt im mahlenden Sand, Nichts Hochromantisches rings zu sehn, Pappeln, umschwirrt von Spatzen und Kräh'n, Lin roter Kirchturm hin und wieder,

Lin Schloßdach dunkelt schwarz hernieder, Dächer von Ziegel, Dächer von Schiefer, Dann und wann eine Krüppelkiefer,

Am trägen Ilusse Schilf und Rohr,

Nnd am Abhang schimmern Kreuze hervor