Heft 
(1889) 14
Seite
252
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Seite 252. Deutschland. .W 14.

diese dem abgefnllciicn Stücke vvrhergegaiMneu Piessen vvn mir sind.

Wir armen Antoren Wilbrandt kam gerade vorher znm Handknsz wir können nns jetzt alle rnhig znsammen- setzen nnd frcnndschastlichst, damit wir doch nnser armes Deutsch gehörig behalten, abwandeln:

Ich kann nichts,

Dil kannst nichts,

Er kann nichts,

Wir können nichts x.

In Shakespeares «Ende gnt, alles gnt» kommt ein Narr vor, der eine Antwort hat, die ans alle Fragen paßt; sic heißt: Ach Gott, Herr!

Der Narr fallt mir jetzt ein.

«Also Ihr neuestes Stück ist dnrchgefallen?»

«Ach Gott, Herr!»

«Schreiben Sie bald wieder etwas?»

«Ach Gott, Herr!»

«Hoffen Sie davon Erfolg?»

«Ach Gott, Herr!»

Ich arbeite jetzt in aller Gemütsruhe an einer Komödie, Trailerspiel, für die «Borch» (das Wiener Bnrgtheater). Wir werden ja sehen."

Wir kommen znm Schlüsse. Ans die Bitte, nns für nnser Deutschland" einen Beitrag zu senden, erklärte Anzengruber,er wäre herzlich gern zu Diensten;" aberich habe meine stillen Wochen, weiß nicht, wie lang' sie dauern; sobald sich's damit ändert, vermeld' ich's schon, bis dahin hilft nichts; was ich arbeite, wird schlecht nnd muß in den Papierkorb.

Indessen erlaube ich mir mit dem bescheidenen Bewußtsein zu schließen, daß ich Ihnen, wann ich auch komme, zurecht komme."

Dieser Brief ist vom k9. Juli 1889. Und heute können wir nur noch Briese des Verstorbenen veröffentlichen.

Ein Lschwort

von

Krich Schmidt.

/^l^nter die Schmähungen, die mir pietätvolle Verehrer Robert Hamerlings ins Hans schlendern, unter lang- atmige Leitartikel nnd lakonische Postkarten mischen sich mancherlei Mahnungen, ich möge nochmals das Wort ergreifen. Wozu? Ich werde die illoyalen Kämpen nicht bessern, die ans meiner Erklärung einen Absatz heransreißen nnd den Schein erwecken, als hätte ich ohne jede Provokation den Streit vom Zaune gebrochen. Ich werde die Schreier nicht beruhigen, die mich, unzweideutigen Bekenntnissen znm Trotz, einen Reaktionär schelten nnd in der ästhetischen Bemängelung eines Revolutions­dramas die Beschimpfung der Ideen von 1789 mit wunder­samer Logik erblicken, ja sogar, in ein Heiligtum der Trauer brechend, überdreist den Vater gegen den Sohn anfrnsen. Ich werde nichts an dem löblichen Brauch ändern, daß, so oft einer von nns Professoren, der auch die Erscheinungen nnd Strö­mungen der Gegenwart mit lebhaftem Anteil verfolgt, das Wort ergreift, über Prvfessorenpolitik, Professorenwewheit, Pro­fessorendünkel Lärm geschlagen nnd, was jedem Beherrscher oder Diener der öffentlichen Meinung Tag für Tag znstehen soll, nns allein aberkannt wird. Ich werde nicht verhindern können, daß ein beliebiger Litterat mich seinen Lesern als den Heraus­geber GoethischerWaschzettel" abmale, weil ich den Faust nnd die Briefe ans Italien hcransgegeben habe, nnd mir im Handumdrehen ein Oollochmu ^»ckckicnm halte über die Unwissenschaftlichkeit der modernen deutschen Litteratnrge- schichte im allgemeinen nnd meiner eigenen Versuche im besonderen. Ich habe von manchem hervorragenden Tages­

schriftsteller dankbar gelernt, mit manchem intim verkehrt, und begehre das Lob der obskuren Herren nicht, die mich bei Gelegenheit des Hainerling-Denkmals ans dieernsteren" Pfade meiner Doktordissertation znrückrnfen möchten, über welche sie doch schwerlich unterrichtet sind. Der Vorein­genommenheit gegen österreichische Dichter darf mich niemand zeihen; jeder meiner Zuhörer könnte ihn kurzweg widerlegen. Ich habe Anzengruber gesucht nnd gefunden, habe in Steiermark den Dichter nnd den Menschen Rosegger mit Freude kennen gelernt, nnd es verschlägt mir gar nichts, wenn jetzt irgend ein Strndelkvpf mich bei Bier nnd Tabak als einen Feind der Poesie nnd der deutschen Sache niederdonnert, weil mir Hci- merling znm Schutzheiligen dieser Mächte viel zu klein ist. Bei dem ganzen Lärm muß ich all den braven Maßmann denken, wie er erst nach dein Wartbnrgfest mit saurem Schweiß die Bücher las, die er zornig verbrannt hatte; ich glaube, daß mancher gute Junge ein Rufer im Streite für Hamerling ist, ans verworrener Begeisterung für die edle deutsche Sache, ohne vorherAhasver" nndKönig von Sion,"Aspasia" nnd Homnnenlns" gelesen zu haben. Holt es nur nach! Ich werde schweigen. Bei denen, ans deren Urteil cs mir allein ankommt, hat der Lärm nicht verfangen, weder hier noch in meinem lieben Österreich. So sehe ich etwaigen weiteren Ey- erciticn intiefer Verachtung öffentlicher Meinung" mit voller Seelenruhe entgegen.

Kleine Kritik.

Der Seelsorger. Roman v. Victor Valentin. Das Bmuttwotlen- gcnie, nn mgmiecio critst-o Rn>I>«>l!c«>. «Leipzig, K. Rechner.)

Valentins Roman leidet an dem großen Z-ehler, in der ersten Hälfte langweilig zu sein. Erst wenn man sich durch die ppilvsophischen Tiraden der Pessimistisch angehauchten Heldin nnd die thealvgisch opli mistischen Bekehrnugsversuche des Helden, eine«« Kandidaten der Theo logie, glücklich durchgeardeitet pat, kommt etwas mehr Schwung in die Handlung, die eigentlich mit einer gegenseitigen Bekehrung schliefst. Philosophierende Z-ranen und Kandidaten sind ja an sich gerade kein dank bares Sujet, sie werden auch dann nicht anstehender, wenn sie durch die typische Lieutenantssigur eine g-vlie erhalten, Auzuerkeuuen ist immer hin das Bestreben des Verfassers, seinen Vornan ans der (Grundlage einer ernsten, sittlichen Anschauung auf,zubauen, wenn auch die Gestal tnugskraft mit dem guten Willen noch keineswegs Schritt zu palten ver mag. Philosophische Romane, d. h. solche, in denen viel reflektiert wird, leiden gar zu gern an dem großen Jehler, daß sich die Entwickelung der Ehnraktere nicht ans der Handlung ergiebt, sondern durch Disputa tivuen, Tagebnchblätter u. s. w. dem Leser plausibel gemacht werden soll. - Das zweite Buch des Verfassers will eine Satire aus die moderne Realistik sein. Soweit nun die Leichtfertigkeit gegeißelt wird, mit der die meisten Schriftsteller den Stil behandeln, kann man dem Verfasser vollständig recht geben. Hier liegt ein .strebsschaden unserer gesamten neueren Litteratur: sie bildet nicht mehr ein Muster guten Stiles, viel mehr hat die Notwendigkeit, die literarische Produktion zu überhasten, umkonkurrenzfähig" zu bleiben, eine totale Vernachlässigung der stilisti scheu Seite herbeigeführt, nnd das Böse an der Sache ist, daß unser Publikum, wesentlich wohl durch die Zeituugslettüre, es sich gänzlich ab gewöhnt hat, darauf zu achten. Wenn aber der Verfasser in gleichem Maße, nnd eigentlich mit weniger Wiü als Behagen, die Berechtigung des Realismus überhaupt ableugnet, so übersieht er, daß unsere ganze Zeit eine realistische ist, nnd daß der Sieg des Realismus ans dem Geiste der Zeit, nicht aus einer zufälligen Geschmacksrichtung heraus be­griffen werden muß. Will er den Auswüchsen entgegentreten, so ist die Absicht lobenswert, nur genügt dazu nicht die Darstellung eines Strumpf­wirkers, der sein Talent entdeckt und sofort die Lesewelt enthustas miert, nicht der Schriftsteller, sondern das Publikum verdient die Geißelhiebe des Spottes, wenn es begierig nach den Büchern greift, aus denen ihm das Parfüm der Gemeinheit entgegenweht. Im.

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Mauthncr in Berlin ^V., Frobcnstraßc 33. Druck und Verlag von Carl Flemming in Glogan.