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und zeigt uns die Geheimnisse der Natur „Am salzigen See/' mit welchem der merkwürdige Salzsee in der Grafschaft Mansfeld, zugleich das größte Binnenwasser des mittleren Deutschlands, gemeint ist. Der Herbst wird, wie es sich gebührt, durch eine Betrachtung des Altweibersommers eingeleitet: er findet uns „Alls der Hühnersnche" und lehrt uns das Heer der „Dunkelmänner" kennen, welche ihr lichtscheues Dasein in Höhlen und Klüften verbringen und durch die verschiedensten Abstnfnn gen mehr oder weniger weit vorgeschrittener Anpassung einen der stärksten Beweise für Darwins Umwandlung der Arten erbringen. Der Winter zeigt uns „Wie sich's lebt in Eis und Schnee," und wie die „Bcrschla fenen Sorgen" der Tierwelt bekommen, die es im Winter mit dem einen von Lenaus drei Zigeunern hält, über dessen Herz „ein Traum ging."
Der Hauptwerk des schönen Werkes besteht in der strengen Durchführung des dem heutigen Naturforscher unabweisbaren Gedankens der ehernen Notwendigkeit im größten wie im kleinsten des ganzer: Weltalls, in der steten Beachtung und Betonung des ursächlichen Zusammenhanges aller Erscheinungen. Vorzügliche Beispiele hierfür geben unter anderen: das eben erwähnte Kapitel über Winterschlaf und Winterschläfer, und die vergleichende Betrachtung der Flieger unter der Tierwelt mit Bezug auf die Berschiedenartigkcit des Zustandekommens der Flugbegabung auf Grundlage der abweichendsten Organe, die sich im Laufe der Jahr tausende durch zusammenlanfende Entwickelung zu Dienern desselben Zweckes nmgebildet haben.
Bei dieser Menge unumwunden anzuerkennender Vorzüge darf es wohl auch ungescheut ausgesprochen werden, daß der Verfasser in seinem Bestreben, den leichten Plauderton festzuhalten, vielleicht mitunter zu weit geht, und das Bedürfnis des ungelehrten Lesers nach dergleichen überschätzt. So lesen wir an: Ende des fünfzehnten Kapitels: „Doch es geht schon stark auf ein Uhr und der Gänsebraten könnte kalt werden, da wollen wir doch lieber machen, daß nur heimkommen. Gesegnete Mahl zeit!" Derartige Bemerkungen finden sich nicht bloß an: Ende der inei sten Aufsätze, sondern auch häufig und mit einer gewissen Regelmäßig keit mitten in die Darstellungen eingestreut und sie unterbrechend. Wer aber, wenn auch nur als Laie, überhaupt genügendes Interesse für die hier behandelten Fragen hat, um ein solches Buch zur Hand zu nehmen, der verzichtet wohl bei der sonst so leicht und angenehm dahinfließenden Darstellung gerne auf derartige Zugaben, und wird dadurch an: Ende mehr gestört als erfreut. — Zu bemerken ist übrigens, daß das Werk aufs reichste mit wechselvvllen Gedanken- und Stimmungsbildern ansgestattet ist, die von Künstlerhand entworfen sind. ln
^ „En Por Blomen nt Amnariek Schulten ehren Goren" 1873 in dritter Auflage, erschienenen Gedichte in weiteren Kreisen bekannt werden. Da j zu beigetragen zu haben, ist nicht das geringste Verdienst des Gaedertz sehen Buches. 1.
: Am Waldesraud. Märchen und Träume von Anna Goetze. l Wisnmr, Hinstorffsche Hvfbnchhandlnng, Verlagskvnto 1890.)
Fromme Demut gegenüber Gott und den: männlichen Geschlechte /spricht ans dem überaus harmlosen Buche. Warn»: die Heldei: der drei „Märchen" gerade Wasserrosen, Nachtigallen und Bergbäche sein müssen, da sie sich doch ganz menschlich gebärden, ist nicht einzusehen. Oder glaubt die Verfasserin, es sei geschmackvoll, wenn ihr Nachtigallenweibchen sich des Goetheschen Wortes erinnert: „Weh dem, der fern von Eltern und Geschwistern ein einsam Leben führt?" CS- 00.) l.
Geld. Roman von Ernst Ahlgren. Autorisierte Übersetzung ans dem Schwedischen von Mathilde Mann. (Berlin, Verlag von I. H. Schorer.)
Seiner Anlage nach ein vortrefflicher Roman mit eigentümlichen Charakteren und Konflikten! Ein blutjunger Backfisch heiratet einen reichen, viel älter::, geistig weit unter ihr stehenden Rittergutsbesitzer. Ausgezeichnet ist geschildert, wie aus dem unreifen, aber vielversprechenden Kinde in der Ehe die weltkluge Frau wird, die doch in: Grunde ihrer Seele ihre Herzensgüte und ihren hohen, wahrhaften Geist behalten hat. Da tritt ein Freund ihrer Kindheit ihr wieder in den Weg, ihr Vetter Richard, der auch geistig in hohen: Maße mit ihr verwandt ist, und die Liebe, die immer zwischen ihnen geschlummert hatte, bricht mächtig her vor. Einzig schön ist der Verkehr Richards und Selmas dargestellt, wie die beiden sich so wahr und frei und groß gegenüberstehen, im vollen Bewußtsein ihrer unauslöschlichen Liebe und doch aufs äußerste zurück haltend und schließlich entsagend. Leider folgt aber nun ein angeleiin- ter und feiger Schluß: der Verfasser teilt uns offenbar etwas mit, an das er selbst nicht glaubt: ganz plötzlich soll in Selma Liebe für ihren Mann erwachen, der ihr bisher ganz gleichgültig war und sein mußte: und warum? Weil er feiner kinderlosen Frau eines Morgens ein Adoptivkind mitbrachte! Es ist in der That sehr schade für den sonst hervorragend guten Roman: wir können nur den Rat geben, die Lektüre des Buches bei Seite 140 abznbrechen und sich einen Schluß dazu zu denken. 1.
Fritz Reuter-Studien. Von Carl Theodor Gaedertz. (Wismar. Hinstorffsche Hofbuchhandlung, Verlagskonto, 1890.)
Es sind durchweg interessante Dinge, die uns Gaedertz über Fritz Reuter in seiner warmen, ansprechenden Weise mitteilt. Besonders will kommen sind uns die vielen Briefe Reuters, die uns hier vvrliegen, und die alle den tiefen Ernst und den tiefen Humor Reuters atmen. Vor allem bemerkenswert ist der weitschauende politische Blick, der aus einigen der Briefe hervorgeht. So schreibt er an: 15. Juli 1871 an seinen Freund Voll: „Wem: nun auch für die nächste Zeit keine Demagogenhetzen in Aussicht stehen, so bereiten sich doch so ganz in: stillen — auch für Deutschland — zwei sehr bedenkliche Kämpfe vor, der eine auf reli giösem, der andere aus sozialen: Gebiet. Wenn Franz (der Sohn Balls) nun auch mit den: ersten nicht viel zu schaffen haben mag, so liegt der zweite ihn: doch sehr nahe, denn sein Verkehr mit Joh. Jakvby, den ich, nebenbei gesagt, für den gcscheutesten, ehrlichsten und konsequentesten Sozialisten halte, kann ihn bei seiner Lebendigkeit und eigenen Ehrlich keit leicht in Bestrebungen verwickeln, die wahrscheinlich noch viel ernstere Verfolgung erleiden werden, als die, denen ich meine verkümmerte In gend zurechnen muß." — Besonders dankbar müssen wir den: Verfasser sein für die in den: Abschnitt „Fritz Reuter und Amnariek Schult" gegebenen reichlichen Proben auS den reizenden plattdeutschen Lieder» der Amnariek Schult (Frau Wuthenow), die in der That vollauf das reiche Lob verdienen, das Reuter und andere ihnen spenden- Auch wir schlie ßen uns den: Wunsche des Verfassers an, daß die noch lebende, außer ordentlich talentvolle Dichterin uns bald neue Lieder übergeben möge, und fügen unsererseits die Hoffnung hinzu, daß die unter den: Titel:
Uns wird eine neue Erfindung auf dem Gebiete des KonzertwcscnS mitgeteilt mit der ausdrücklichen Bemerkung, daß kein Patent darauf genommen sei, und daß darum der große deutsche Konzertunternehmer Hermann Wolf, auch Konzert Wolf genannt, sie ansbeuten dürfe, vpne vom Erfinder deshalb verfolgt zu werden. Bisher gab es nämlich in allen Musikfälen neben den: geregelten Geräusche, welches man Musik nannte und bezahlte, auch viele unregelmäßige Gratisgeränsche: das Knarren der Thnren, das Klappen der Sitze, das Husten, Schnäntzen und Plaudern der Zuhörer, von: Rufen der Kellner und Klirre:: der Biergläser in den gemütlicher:: Konzertsälen gar nicht zu reden. Andere Erfinder mögen sich mit der Abstellung dieser Dinge befassen. Unser Vorschlag betrifft das Knittern und Knistern der Programme. Sv ein Programm auf dünnen: Papier wird gleichzeitig von fünfhundert bis zweitausend Zuhörern entfaltet und den Augen genähert, so oft die Sängerin ein neues Lied beginnt, und so oft die Kammermusiker einen neuen Satz ihres Quartetts anstimmen. Man findet dann nur: alloKro oder andante, ist so klug als wie zuvor, und es scheint, daß man nur des leisen Knisterns wegen nachgesehn habe; doch tausendmal vervielfältigt ist dieses leise Knistern für diejenigen unangenehm, welche des geregelten Geräusches wegen gekommen sind. Nun ist unser Erst:: der nach jahrelangem Nachdenken zu den: Ergebnis gekommen, daß ein festes Cartvnpapier von der Größe einer Visiten oder Postkarte recht gut ein ganzes Kvnzcrtprvgrammin aufnehmen und selbst beim besten Willen nicht zun: Knistern gebracht werden kann. Herr Hans von Bülow, der schon nervös wird, wenn eine Zuhörerin ein wenig mit den Augen klappert, wird den: Vernehmen nach der erste sein, der die nene Erfindung einführt. —x.
Verantwortlicher Redakteur: Fritz Mauthner in Berlin °VV., Frobcnstraßc 33. — Druck und Verlag von Carl Flemmiug in Glogau.