Heft 
(1889) 20
Seite
333
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Erscheint Sonnabends

und ist in der Post-Zcituiigsprcisliste unter Nr. 1738 eingetragen.

Berlin, den ^3. Februar.

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bei . der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.

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Inhalt: Stine. Bon Theodor Fontane (Fortsetzung). - Streikende Priester. Bon H. Zimmern. Dr. (5. Scht. . Vorratskammern im Pflanzenreiche. Bon Nr. Theodor

Jacnsch (Schlußt. - Geheimnisse der Spiritisten. Von Hildegard Nilson. - Zahme Lcnien des Achtnndachtzigcrs. Bo» Eduard von Bancrnfeld. Unser modernes Konzern Publikum. Bon A. Schocbcl. Ter letzte Dahn. Bon F. M. Kleine Kritik.

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Von

Theodor IonLcrne.

(Fortsetzung.i

Kapitel.

nnertvartete Besuch war inzwischen in das Front- zimwer eingetreten, und während Stine wieder ans das Fenster und ihre hier aufgestellte Rahmenstickerei znschritt, forderte sie den jungen Grafen ans, ans dem schräg zur Seite stehenden Sofa Platz zu nehmen. Er lehnte dies aber ab und schob statt dessen einen Stuhl in die Nähe Stines, die sich ihrerseits sofort wieder ihrer Arbeit znwandte, freilich in sichtlicher Erregung. Die Nadel flog, und der orangefarbene Faden von Flockseide blitzte bei jedem neuen Stich, den sie machte.

Nun, Herr Graf," begann sic, während sich ihr Kopf immer tiefer auf die Stickerei senkte,was verschafft mir die Ehre? Was führt Sie zu mir?"

Aber ehe der, an den sich die Frage richtete, noch ant­worten konnte, fuhr sie schon mit einer ihr sonst fremden Le­bendigkeit fort:Ich glaube, Sie verkennen mich. Sie mögen darüber lachen, aber ich bin ein ordentliches Mädchen, und ist keiner in der Welt, der hintreten und zu mir sagen kann: «Dn lügst.» Ich sehe ja, wie's geht . . . nein, nein, lassen Sie mich nusreden . . . und solch ein Leben, wie's meine Schwe­ster führt, verführt mich nicht; es schreckt mich bloß ab, und ich will mich lieber mein Leben lang quälen und im Spital sterben, als jeden Tag alte Herren um mich haben, bloß um Unanständigkeiten mit anhören zu müssen oder Anzüglichkeiten und Scherze, die vielleicht noch schlimmer sind. Das kann ich nicht, das will ich nicht. Und nun wissen Sie, woran Sie sind."

Fräulein Stine," sagte der junge Graf,Sie sagen, ich ! irrte mich in Ihnen. Ich glaube nicht, daß ich mich in Ihnen

irre. Aber selbst wenn es so wäre, so lassen Sie mich Ihnen sagen, Sie irren sich auch in mir. Ich komme zu Ihnen, weil Sie mir gefallen und mir eine Teilnahme eingeflößt haben, oder lieber rund heraus, weil Sie mir leid thun. Ich Hab' es Ihnen wohl angesehen, daß an dem Abende neulich nicht alles nach Ihrem Sinn und Geschmack war, und da nahm ich mir vor, Dn willst sehen, wie's dein Fräulein Stine geht. Ja, Fräulein, das nahm ich mir vor, und wenn ich Ihnen Helsen kann, so will ich Ihnen helfen und Ihnen Ihre Frei­heit wiedergcben und Sie losmachen ans dieser Umgebung. Ich glaube, daß ich es kann, trotzdem ich kein Prinz bin und noch weniger ein Wunderthüter. Und Sie dürfen auch nicht fürchten, daß ich eines Tages mit der Absicht kommen werde, mir einen schönen Dank dafür zu holen. Nein, nichts davon. Ich bin krank und ohne Sinn für das, was die Glücklichen und Gesunden ihre Zerstreuung nennen. Eine lange Geschichte, womit ich Sie nicht behelligen will, wenigstens heute nicht."

Er hatte sich, während er diese letzten Worte sprach, er­hoben und sah, seine Hand ans Stines Stuhl lehnend, in den Sonnenball, der eben zwischen den nach Westen stehenden Bäu­men des Jnvalidenparks niederging. Alles schwamm in einem goldenen Schimmer, und das Schweigen, in das er verfiel, zeigte, daß er auf Augenblicke von nichts als von der Schön­heit des sich vor ihm ansthuenden Bildes hingenommen war. Endlich aber nahm er Stines Hand und sagte:Was Hab' ich da gesprochen von Freiheit geben und Sie wieder los machen wollen! Geben Sie mir keine Antwort darauf. Alles falsch und eingebildet und thöricht dazu. Weil ich mich selber hilfe­bedürftig fühle, war ich wohl des Glaubens, Sie müßten auch hilfebedürftig sein. Aber ich empfinde mit einem Male, daß Sie's nicht sind, daß Sie's nicht sein können."

Stine lächelte vor sich hin. Der junge Graf aber, der es nicht sah oder nicht sehen wollte, fuhr in dem ihm eigen­tümlich elegischen Tone fort:Ja, Fräulein Stine, das Krank­sein, das eigentlich von Jugend auf mein Lebensbernf war, es hat auch seine Vorteile; man kriegt allerlei Nerven in seinen