Heft 
(1889) 27
Seite
445
Einzelbild herunterladen

omerr

'W^mst.NtlexatuHVlSSkkHv

-DM

^Xunl> ssIallsReLLir^ ^

" 'H

-

Nr. 27

Erscheint Sonnabends

und ist in dcr Post-Zeitungsprcisliste unter Nr. 1738 eingetragen.

Berlin, den 3. April.

Abonnementspreis

bei der Post oder im Buchhandel vierteljährlich 3 Mark.

1890

*

Inhalt: Die talentvolle Frau. Novelle von Robert Misch (Fortsetzung). Die Börse über die soziale Frage. Von '. ' Berthold von Regensburg, ein Sozialethikcr des Mittelalters. Von l>r. Maximilian Kohn (Fortsetzung). Zu Max NordansEvolutionistischcr Ästhetik." Von vr. Paul Otto Schmidt. Das Schicksal des Zonentarifs. Von Eduard Engel. Geheimnisse dcr Spiritisten. Von Hildegard Nilson (Fortsetzung). Rembrandtismus. Von Franz Servaes.König Midas." Von F. M. Kleine Kritik.

Hie talentvolle Iran.

Novelle

von

o llOlA 11^tts. (Fortsetzung.)

gingen zn Tisch. Der Bankier hatte sich seinen Plan zurechtgelegt. Als die Suppe abgetragen, die Diene- rin aus dem Zimmer war, sagte er plötzlich ohne jede Einleitung:Wir werden morgen abreisen!"

Sie zuckte zusammen.

Wir? Was heißt das?"

Du wirst mich morgen nach S. znrückbegleiten!"

Nein!"

Ich wünsche es!"

Ich bedauere, Deinem Wunsche nicht Nachkommen zu können!"

Warum nicht?"

Weil ich noch einige Wochen hier bleiben und vor allen Dingen erst meinen Roman vollenden will!"

Das lohnt der Mühe!" sagte er spöttisch.

Sie sah ihn mit zornig funkelnden Angen an, und es war ihr, als ob sie diesen Alaun hassen müsse. Wie konnte er es wagen, das Heiligste in ihr, ihre Kunst, ihre Muse an- zntasten!

Es lohnt der Mühe!" erwiderte sie kurz.Ich bin es übrigens nicht gewohnt, solche Entschlüsse ä ln ncknuto zu fassen!"

Du wirst Dich daran gewöhnen müssen!"

Es kam kurz und scharf heraus. Der Zorn schwellte ihm die Adern der Stirn, in die sich plötzlich eine tiefe Falte grub.

Wie roh, wie häßlich sah er aus und wie alt! Noch nie hatte sie es so bemerkt wie heute. Mit einemmal kam ihr ein unheimlicher Gedanke, den sie noch nie empfunden. Sie sah auf das kostbare, bunte Service, von dem sie speisten, ans

die seidenen Möbel und ihr spitzenbesetztes Morgenkleid.Du hast Dich ihm verkauft verkauft, und jetzt schleppt er seine Ware mit sich fort!" fuhr es ihr durch den Kopf.

Ich werde nichts thun, was mir nicht behagt! Ich bin es nicht gewohnt, meinen Willen einem anderen nnterzuordnen!" sagte sie laut.

Du wirst Dich auch daran gewöhnen müssen!"

Nein niemals!"

Ulenius sprang aus und stieß drohend den Stuhl zurück.

Ich bin Dein Gatte, Dein Herr!"

Ah, sprichst Du so mit mir? Lange habe ich darauf gewartet, diesen Ton zu hören!" Ihre Lippen kräuselten sich verächtlich.Du vergißt nur, daß ich nicht die Frau bin, bei der er angebracht ist! Ich habe Dir kein Hehl daraus gemacht, als Du meine Hand begehrtest. Du versprachst mir damals, nur meinem Willen zu leben. Freilich, Brüuti- gamsschwüre pflegen die Ehemänner nicht zu halten!"

Warum willst Du nicht mit mir heimkehren, wohin Du gehörst? Warum nicht?"

Drohend trat er dicht vor sie hin, als wolle er sie mit seinen Blicken durchbohren und ihre geheimsten Gedanken erraten.

Ich habe es Dir schon einmal gesagt! Weil mir dort die Anregung fehlt, weil ich hier arbeiten will!"

Arbeiten haha, arbeiten?!" Heiser, abgerissen kamen die Worte aus seinem Munde.Wer will denn etwas wissen von dieser Arbeit? Hat man sie Dir nicht zurückgeschickt? Du hast kein Talent, man hat es Dir ja geschrieben!"

In seinem grenzenlosen Zorn sprach er die Unwahrheit; er glaubte an dies Talent, aber er haßte es. Er fühlte, daß dies sie voneinander trenne. Ihr schnitt es wie ein kaltes Messer ins Herz. Ja, jetzt haßte sie ihn, jetzt war es aus! Ihr graute davor, in sein ödes Heim mit ihm zurückzukehren, die Lüge dieser Ehe noch weiter fortzuspinnen. Lieber wollte sie trockenes Brot essen, als noch länger diesem fremden Manne angehören, der sie bezahlte, schrie es in ihr auf.

Sie sprach kein lautes Wort, stand auf und ging in ihr

-