Heft 
(1889) 31
Seite
528
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Deutschland.

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welches R. Nathanson aus dem Italienischen des Enrico Monte- cvrboli übersetzt hat. Anfangs scheint es, als ob der Autor gegen die Härte des Gesetzes anstreten will, welches dem geschiedenen Gatten ge­stattet, in einem bestimmten Lebensalter sein Kind der Mutter zu ent­ziehen, dann aber lost das ganz undramatisch aufgebaute Stückchen sich in breite, triviale Rührseligkeit auf. Weit geistvoller und gedankenreicher ist Paillerons LustspielGewitterschauer," das stark skeptisch in der Liebe nur einen Sinnestaumel erblickt und der Hintergangenen Gattin Resignation predigtdie galanten Ehemänner kommen schließlich noch dazu, der eigenen Gattin den Hof zu machen." Das mit sehr viel Witz und Laune geschriebene Lustspiel mit seiner recht originell eingeleiteten Handlung verliert gegen den Schluß hin an Wirkung durch Längen und Wiederholungen. ,8t.

Luthers Werke für das christliche Haus. (Brannschweig, C. A. Schwetschke u. Sohn, 1890.)

Die verdienstvolle Ausgabe ist bis zum sechsten Hefte vorgeschritten, welches Luthers wichtige SchriftVon den Konzilien und Kirchen" ent­hält. Was Luther da vor 350 Jahren veröffentlicht hat, ist nicht nur von historischem Interesse. Die Achtung vor der Schule und den Schul­meistern, welche Luther damals gefühlt und ausgesprochen hat, könnte auch heute noch den geistlichen Herren beider Konfessionen zum Muster dienen. Der erste Band der reformatorischen Schriften liegt bereits ab­geschlossen vor.i'.

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Versuch einer Schillerschen Ästhetik. Studie von Gust. Zim­mermatt n. (Leipzig, B. G. Teubuer.)

Eine sehr sorgfältige Arbeit, die aus sehr intimen Studien Schillers hervorgegangen ist. Eine Zusammenstellung seiner ästhetischen Grund­ansichten ist heilte nm so wertvoller, als gerade an Schiller wieder sehr viel angeknüpft wird, sei's daß man gerade seine Ästhetik bekämpft, sei's daß man sich aus ihm ein ideal-realistisches Kunstgebände aufbaut. Schiller resümiert, was man bisher von der Kunst gefordert und über sie gedacht hat; er ist der stärkste Ausdruck des idealistischen Zeitalters, das für Deutschland nun anfängt Vergangenheit zu werden. Man wird sich also gerade mit ihm um so vertrauter zu machen haben, wo man moderne Ästhetiken aufführt. Was sehr viele heute nämlich als funkel­nagelneuestes Dogma des Realismus anfstellen, ist entweder von Schiller schon besser formuliert und schöner gesagt oder sogar schon widerlegt worden. Die Schrift sei also allen zum Studium empfohlen, die sich mit einer vergangenen Epoche ästhetisch auseinander zu setzen wünschen.

1.. U.

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Denkwürdigkeiten ans dem Leben des Fürsten Bismarck. (Leip­zig, 1890, Rengersche Bttchhandlimg.)

Wenn Fürst Bismarck als Reichskanzler gestorben wäre, so hätte es gewiß nicht an einer Flut von Broschüren gefehlt, in denen Spekula tion, Pietät oder einfach Schreibseligkeit sich zum Worte meldeten. Nun, da Fürst Bismarck gegangen und demnach lebendig geblieben ist, sehr lebendig sogar, ist die Hochflut der kleinen Bismarcklitteratur begreif licherweise noch höher gestiegen. Das vorliegende Liefernngswerk zeichnet sich dadurch ans, daß cs offenbar für eine andere Eventualität von langer Hand vorbereitet war. Die Einleitung verrät, daß der anonyme Herausgeber eine maßvolle, Bewunderung Bismarcks mit guten histo rischen Kenntnissen verbindet.r.

Die Feier von Theodor Fontanes siebzigstem Geburtstage hat unter anderem auch die Veranstaltung einer Gesamtausgabe von des Dichters gesammelten Romanen und Erzählungen gezeitigt. U'Tcknltera, die Berliner Geschichte, mit welcher Fontane seine neue Ära begann und wo er die naturalistische Keckheit so weit trieb, daß man aus seine Modelle mit den Fingern weisen konnte, bildet den Inhalt der ersten vier Hefte. Die fünfte Lieferring bringt den Beginn vonEllernklipp." Fontane gehört zu den Dichtern, deren Erfolg nicht über Nacht gekommen ist. Etwas spät, aber nicht zu spät hat sich die Gemeinde gebildet, welche ihn als einen unserer Ersten verehrt, und welche in langsamem Wachsen den Ruhm des jugendlichen alten Herrn von Nord nach Süden weiter­

trägt. Der Fontane-Gemeinde ist es zu verdanken, daß eine Gesamt­ausgabe ihres Dichters möglich wurde; aber die Gesamtausgabe wird sich dankbar erweisen und der Gemeinde ebenso viele Mitglieder als Leser zuführen. -i-.

Die Unbefleckte. Eine nicht konventionelle Geschichte von Hein­rich Landsberger. (Berlin, 1890, Hngo Steinitz, Verlag.)

Nur die Weihnachtszeit erscheinen in großstädtischen Blättern häufig anmutige Feuilletons unter dem Titel Streifereien oder Wanderungen oder Plaudereien; der Leser erfährt etwas von grünen Weihnachten und weißen Ostern, von der Herrlichkeit des Christabends und der Freude am Wohlthnn, und glaubt es mit einem gemütvollen Festdichter zu thun zu haben, bis Plötzlich fett gedruckt mitten in der Feuilleton-Poesie die genaue Firma zu lesen ist, bei welcher Winterröcke oder Nähmaschinen oder Weihnachtsknchen zu haben sind. Das Gemüt des Dichters ist für die Reklame thätig gewesen. An diese Wanderungen erinnert in tunst lerischer Hinsicht die Gattung von Erzählungen, derDie Unbefleckte" von Heinrich Landsberger zugehört. Die frei erfundene, übrigens mehr frei als gut erfundene Geschichte wimmelt von bekannten Straßen- und Personennamen und hebt gleich in dem Atelier eines berühmten Malers an. So wird der Schein eines natürlichen Lebens erzeugt, trotzdem die handelnden Personen selbst nicht lebendig gezeichnet sind. Der Titel soll wohl gelangweilte Reisende veranlassen, das Buch beim fliegenden Buchhändler des Bahnhofes zu kaufen: es wäre aber ein schlecht ange­legtes Geld. Der Verfasser will durch seine kleine Liebesgeschichte nur lehren, daß Hebbels Tischlermeister unrecht habe und mancher Mann doch darüber hinwegkönne.

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Die Numidierin. Novelle ans dem altrömischen Afrika. Von Ernst Eckstein. (Leipzig, Reißner.)

Sie würde sich mit denvergifteten nnmidischen Pfeilen töten, hatten wir geglaubt, aber sie stürzt sich in den Abgrund. Das hatten wir nicht erwartet; im übrigen aber kann man nach den ersten fünfviertel Kapiteln die Entwickelung dieser altrömisch afrikanischen Novelle Voraussagen. Aulus Paeuvius, einKaufherr" in Cölln, erhält in dem ligurischen Kaufherrn Livius Tabianns eine gefährliche Konkurrenz. Beide besitzen Purpnrfärbereien. In des Tabianns Tochter verliebt sich Aulus, seine Konkurrenz aber will er bekämpfen auserlauchtem Starrsinn." Er geht deshalb auch von einer Kommanditgesellschaft auf Aktien droht ihm Konkurrenz - nach Nepte, um bei der tritonischen Wolleam Roh stoff ein Viertel, wenn nicht ein Drittel" zu sparen. Natürlich wird er dort von Räubern angefallen und verwundet, von der Nnmidierin aber gerettet. Das Weitere kennt man die Nnmidierin muß der Römerin weichen, Edelmut, opferwilliger Tod, Abgrund.

Das ist alles so wie stets in Eckstein scheu und anderen Novellen, nur daß hier die Einzelheiten der Darstellung oft von überraschender Ungeschicklichkeit sind. Der Verfasser null zeigen, wie sehr ihm die rö­mische Kultur jener Zeit in ihren Einzelheiten geläufig ist, und deshalb müssen seine Personen reden, wie Reporter schreiben. Sie sprechen, wie. wenn ich zu ihrem Schöpfer sagen wollte:Komin in mein hochragendes, gen Süden gelegenes Arbeitszimmer mit dem festgefügten Nnßbaum- Schreibtisch und den ans nußbanmartig gebeiztem Eichenholz wohlge­zimmerten Bücherschränken, in denen deine Werke noch des Einbands harren in schmuckem Halbfranz oder schlichtbraunem Kaliko oder in köst­lich marmorierter Pappe." Selbst wenn die Nnmidierin, die übrigens kleine, schneidige Vögel" hat, daran denkt, daß morgen ihr Liebster nicht mehr da sein wird, so muß sie betonen, daß der schöngetäfelte Ar- beitsranm mit dem purpurgesäumten Thürvorhang und dein panther- füßigen Tisch und dem polsterbelegten Sessel leer sein wird. Dadurch geht der winzigen Fabel nun auch die Lebendigkeit der Darstellung ver­loren, und die im übrigen recht temperamentvolle Nnmidierin wird eine unleidliche Pedantin, die von demsogenannten gütigen Jupiter" spricht und es einmal mit Unterstützung Ecksteins fertig bringt zu sagen:durch Bauten, deren Art ich in meiner Unwissenheit nicht näher bezeichnen kann." Würde ein Dichter ein modernes Landmädchen so sprechen lassen, so müßte man ihn als einen psychologischen Stümper bezeichnen die Numidierinnen im altrömischen Afrika aber werden ja wohl, da Ernst Eckstein es sagt, solch papiernen Stil gesprochen haben. 8t.

Verantwortlicher Redakteur: Fritz Mauthner in Berlin >V., FroLenstraße 33. Druck und Verlag von Carl Flemmtng in Glogau.