Heft 
(1889) 40
Seite
658
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. Seite 658.

Deutschland.

M 40.

vollständig in Anspruch genommen war, wider Erwarten nichts erwiderte, raunte ihr Dimitriadi zu:Weißt Du, Maritza, noch zwei so gute Geschäftsjahre wie das vorige und wir können es" haben."

Maritza sah jetzt auf und sagte:Gott möge helfen!"

Es" bildete den goldenen Traum des Ehepaares Dimi­triadi:es" war das schloßartige Herrschaftshaus des Gutes Mineschti, dessen jugendlicher Eigentümer sich in Paris anf- hielt, um Jurisprudenz zu studieren. Man behauptete freilich, daß der junge Bojar sich mehr mit dem Studium der Frauen- herzen abgübe, was bekanntermaßen sehr kostspielig ist. Nun, das Geld hierzu lieferte ihm der unscheinbare Dorfwirt Dimi­triadi, der Gut und Schloß bereits als sein Eigentum betrach­tete. Nicht mit Unrecht; hatte er doch die Liegenschaften mit zwei Drittelten ihres künftigen Feilbietungswertes belehnt.

Des praktischen Griechen Art war es aber nicht, sich am Hellen Tage langemüßigen Träumereien" hinzugeben. Er fuhr daher rasch mit der schwieligen Hand über das Gesicht, als wollte er seine Alltagsphysiognomie wieder Herstellen, und gab rasch noch einige Befehle:

Du wirst noch etwas Wasser iu den weißen Schnaps nachgießen; Du wirst die Waren ordnen; Du achtgeben, daß soviel als möglich bar gezahlt wird. Du wirst aufschreiben, was man schuldig bleibt; schreibe lieber etwas mehr, als weni­ger ans, alle Schulden werden ja so nicht eingezogen; die Kleinen werden bei der Bedienung helfen."

Damit hob er die Tafel auf. Bald darauf traten zur breiten Wirtshansthür die Dorfgrößen: Pope Jlie, der Primär der Gemeinde, der Gemeindeschreiber und der Schullehrer herein, gefolgt von Bauersleuten.

Man besprach natürlich das Ereignis des Tages, die Heimkehr der siegreichenPelzmützen" und besonders die Helden - that des Boieu. Pope Jlie hatte nämlich jüngst von seinem Vetter, dem Gerichtsschreiber in der nächsten Distriktshauptstadt, einem sehr belesenen Jungen, der täglich seine drei bis vier Zeitungen liest, und der gar manches weiß, erfahren, daß Voien für eine mutige That im Kriege mit Medaillen und Geldge­schenken bedacht worden und sogar zum Sergeant avaneiert sei. Wie" undwann" undwo" war vorläufig auch dem Alles­wisser vom Gericht unbekannt. Von Pope Jlie wußte das ganze Dorf etwas von der Sache.

Ja, ja, das war von jeher der tüchtigste Bursch im Dorfe!" hieß es jetzt im Wirtshause.

Der Kräftigste und Mutigste, und der beste Kindiatünzer," bestätigte eine Dirne.

Und schnurrige Geschichteu kann er auch erzählen. Der Kerl hat ein Mundstück na!" meinte der Primär.

Eh! so arg ist es auch nicht mit ihm!" warf jetzt Costake Ursu ein.Leere Fässer tönen immer stärker als volle!"

Hohoho, Gevatterchen! Wir wissen, daß Voien Deinem Herzen ebenso lieb ist, als Salz Deinen Augen!" rief Pope Jlie dazwischen, der es sich wohl manchmal heransnehmen durfte, seine Meinung frei herauszusagen, auch wenn er nicht gerade sein Meßgewand trug.Nun ja! Hast ihm seine Liebste weggefischt, jetzt schimpfst Du noch!"

Ehe Ursu Zeit zur Erwiderung finden konnte, kam von den frischen roten Lippen der schönen Zamfira die Gegenrede: Was wahr ist, ist wahr! Voien ist nicht mundfaul. Aber

des Rumänen Wort sagt: «Gut im Reden, schlecht bei der Arbeit.» Er wird sein Leben lang ein armer Schlucker bleiben. Und Armut ist die böseste aller Krankheiten. Übrigens hat mich Ursu nicht weggeschnappt, sondern ich folge ihm gern in die Ehe!"

Die Wechselrede über Voieu war durch die recht trotzig und mit erhobener Stimme herausgestoßenen Worte der Dirne geschlossen und der allzeit friedfertige Pope Jlie schlug gleich ein anderes Thema an.

Zamfira wandte sich rasch ab und ging ans Fenster; un­aufhaltsam rieselten ihr nun die Thränen aus den schwarz­funkelnden Augen über die vollen Psirsichwangen herab. Es that ihr so weh, so bitter weh, dem prächtigen Voieu entsagt zu haben. Und zu wessen Gunsten? Zu Gunsten des tölpel­haften, plumpen Ursu, dessen von schütterem Barte schattiertes, rauhes und rohes Gesicht aussah, wie ein Stoppelfeld nach der Kukuruzernte. Da ist Voieu doch ein ganz anderer!

Schlank und kernig, wie ein schöner Baum! Hinter seinen schlauen, grauen Angen hockt der Schelm, llnd das von dun­kelbraunem Gelock umrahmte, freundliche Gesicht ziert ein wun­derschöner langfadiger Schnurbart, ganz so einer, wie ihn der Herr Präfekt hat. Aber was nützt das alles? Voieu ist arm, blutarm, und Ursu besitzt ein großes Grundstück zu eigen mit einem schönen Häuschen darauf, und hat nicht weniger als sechs Paar der schönsten Ochsen im Stalle stehen, wahrhaftig die schönsten in der ganzen Gegend, llnd dann Kühe lind Pferde und Schafe und .... was weiß ich, was sonst noch.

Als Frau des Ursu wird sie ja förmlich wie eine Bojarin leben können. Voieu ist denn doch zu arm, um sie jetzt heim- führeu zu können. Mein Gott, man will doch wenigstens in einer eigenen Hütte schlafen, und so müßte sie denn, wer mag wissen, wie lange noch das bittere Brot als Dienerin bei der benachbarten Herrschaft essen. O, ein elendes Leben! Nein, nein kein Zweifel kann da aufkommen: sie muß Voien anf- geben; sie muß Ursu die Hand zum Bunde für das ganze Leben reichen, sie darf das Glück, diesen seltenen Gast, nicht von sich stoßen.

Das' schien der letzte Sturm iu der Seele der Bäuerin. Nun war sie fest entschlossen, der Stimme der Vernunft zu folgen. Sie wandte sich unbefangen wieder den Bauersleuten zu und sah den Ereignissen mit Ruhe entgegen. Was hatte sie denn zu fürchten? Von dem verschmähten Liebhaber ge­prügelt zu werden? Nun, dergleichen kann eine Bäuerin nicht erschrecken.

Da ertönte in nächster Nähe lautes Hurra und Hiha und das unbarmherzige Gekratze der Dorfmusik. Zamfiras Herz begann doch heftiger zu schlageu. Sie blickte hinaus.

Die Straße herab kamen, umringt von Dörflern, an zwanzig Soldaten, munter hüpfend, daß ihnen die schwarzen Schafpelzmützen, mit keck emporstrebender Truthahnfeder, von einem Ohre zum andern hopsten. Nur einer von ihnen ging still seines Weges, der Sergeant. Zamfira zuckte zusam­men, als sie ihn gewahrte; ihre vor wenigen Minuten in ruhi­ger Betrachtung und Erwägung gewonnene Fassung war ver­flogen.

Voien war frohgemut in seiner Heimat eingetroffen und war nicht wenig erstaunt gewesen, seine Geliebte nicht unter