Heft 
(1989) 47
Seite
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Ich habe mich gewehrt, und er hat mich bedrängt, das ging so hin und her. Aber sein Bitten und Drängen hatte ich gern. Unsere Pferde gingen dicht und flogen dann nebeneinander her. Bei einem Galopp hat er mir zugerufen: .Gele­genheit macht Liebe.' Erst ließen wir die Pferde traben, und dann ließen wir die Zügel schleifen, so würdest du es wohl ausdrücken. Crampas war nicht immer fein in dem, was er sagte. Und ich glaube, in mir war auch so was, ordinär will ich's nicht nennen, aber was Sinnliches. Die Untreue hat mich zur Frau gemacht, nicht die Heirat und nicht die Geburt des Kindes. Es ist einfach so mit uns durch­gegangen. Ich hab ein ,Es' in mir, darüber konnte ich mit keinem sprechen. Für Ehebruch war es eigentlich doch zu wenig. Jesus und die Ehebrecherin! Vater hat eine Bibel mit Stahlstichen, da liegt die Ehebrecherin dem Herrn zu Füßen, und er streckt die Hand nach ihr aus, um sie aus dem Staub zu heben. Ich habe mir das Bild noch einmal angesehen, aber es betrifft mich nicht. Vielleicht, weil alles so anders aussieht als in den Dünen, irgendwie orientalisch. Ja, die Dünen und die See, danach sehne ich mich manchmal, da habe ich mich am wohlsten gefühlt. Man wurde nicht gesehen und sah auch nicht viel, aber man hatte doch Ausblicke und das Rauschen. Es war wie Versteckspiel mit dem Wind. Er packte einen und ließ einen wieder los. Jeder hat so eine Landschaft, in die er gehört. Für mich waren es die Dünen, das Unübersichtliche, das Versteckte, und das ist nicht gut. Zu Vater gehören die Feldwege, auf denen er hinter der nächsten Bodenerhebung verschwinden kann. Und du paßt nach Berlin, in die geraden Straßen und auf die breiten Treppen, die zu den Minsterien führen. Und Mutter, wohin paßt sie? Sie ist auch nicht dahingekommen, wo sie hingehört hätte. Es ist schwer herauszufinden, was zu einem paßt, und dann ist es noch schwerer, hinzukommen und da zu bleiben.

Ich träume wieder meine Tagträume. Bei jener Fahrt, damals, Silvester, als es übers Eis ging und Gefahr war, als ich mit Crampas im selben Schlitten saß und du in einem anderen, da hast du nachher gesagt, es wäre dir gewesen, als ob ich mit Crampas untergangen sei. Da hast du Angst gehabt. Ach, wär ich's nur! Crampas lebte gerne, aber er hätte auch aufhören können, er hing nicht am Leben. Er hing an nichts, er wollte nichts besitzen. Er zog mich an sich und ließ mich auch wieder los. Ich hätte ins Wasser gehen sollen, untreue Frauen müssen ins Wasser gehen, und Wasser war ja auch genug da. Aber da war das Kind. Und wenn eine Frau Landrat von Instetten ins Wasser geht, dann wäre alles herausgekommen, und am Ende hätte ich dann doch nur eine Karriere zerstört. So einfach weitergehen, erst durchs seichte Wasser und dann die Wellen, bis man den Boden verliert, das kann doch nicht so schlimm sein, und Crampas wäre ja auch mitgekommen, er hatte so was, mit ihm hätte man untergehen können. Zum Leben taugte er nicht. Jetzt habe ich keinen mehr, keinen zum Leben und keinen zum Sterben. Eigentlich habe ich nur noch Rollo. Sei still, Rollo! Es ist gut. Bleib liegen, die Sonne wärmt uns wohl noch eine Weile.

Aber am Ende war der Sog des Wassers doch nicht stark genug, sonst säße ich ja nicht hier in Hohen-Cremmen bei meinen alten Eltern und machte ihnen Sorgen. .Tochter der Lüfte' hat Mutter von mir gesagt, das ist lange her. Ich hätte was von einer Kunstreiterin. Von Trapez hat sie auch gesprochen. Immer habt ihr mich angesehen, als wollte ihr .Aber Effi!' sagen. Dabei hattet ihr das Unpas­sende trotzdem gern.

Instetten hat sein Alter, und ich habe meine Jugend, habe ich gedacht, und das habe ich auch gegen dich ausgespielt, einen Trumpf, der sticht, mußte ich doch in der Hand haben. Alles, was vernünftig war, dafür sorgtest du. Dabei konntest

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