du nichts für dein Alter und ich nichts für meine Jugend, aber alle taten, als sei es mein Verdienst, so jung zu sein und schon Landrätin und Mutter eines Kindes.
Alle Schuld rächt sich auf Erden! Das sind so deine Sprüche, Instetten. Je älter ich werde, desto weniger glaube ich an Sprüche. Die Sonne bringt es an den Tag! Die Sonne war's nicht, da mußte viel Zusammenkommen, lauter Zufälle, was man so Zufall nennt. Aber nichts ist zufällig. Ich hätte mit dir reden sollen, bevor wir aus Kessin weggingen nach Berlin, aber als ich dir sagte, wie ich mich in dem Spukhaus gefürchtet hatte, und dir von meiner Angst berichtete, da hast du dein Schulmeistergesicht gemacht. Und die Sache mit Crampas lag ja auch schon hinter mir.
Man kann nur dort beichten, wo man auf Vergebung hoffen kann. Verstehen sollte es ja keiner. Warum habe ich seine Briefe nicht verbrannt! Manchmal sah ich sie hinten im Nähkasten, nahm sie in die Hand und las sie dann doch nicht. Ich wollte mich nur erinnern: Effi, so eine Frau bist du! Nicht, wie man sich an etwas Schönes erinnert, sondern an etwas Schlimmes. Das darf man doch auch nicht vergessen, und immer dachte ich: Es war nicht nur schlimm, es war auch schön. Bei der ersten Lüge habe ich gedacht, die Decke stürzt ein, aber sie ist nicht eingestürzt. Die zweite fiel mir schon leichter. Alle wollen einem ja glauben, was man sagt, und eigentlich will doch gar keiner die Wahrheit wissen. Geahnt hast du etwas, Instetten! Weißt du, was ich jetzt manchmal denke, wenn ich mein Leben Revue passieren lasse und die Schatten auf der Sonnenuhr anzeigen, wie alles vergeht? Ohne Crampas und die Dünen wäre es nicht besser gewesen. Das habe ich nun auch kennengelernt. Das Leichtsinnige. Eigentlich wollte ich doch, daß alles leicht sein sollte. Ein Leben lang die Baronin Instetten und eines Tages vielleicht die Ministerin und Bälle und Einladungen und vier Wochen Kur im Jahr. Dann werden Ablenkungen ja auch langweilig. Du hattest deine Karriere, und ich hatte die Langeweile, und wenn du vom Bedeutendsein zurückkamst, hätte ich dir entgegenfliegen müssen und dich bewundern. Dafür genügte doch Rollo.
Still, Rollo! Braver Hund. Schlaf weiter. Nachher machen wir unseren Spaziergang. Dann dämmert es bald, und dann ist wieder ein Tag vergangen.
Ich habe viel nachgedacht, Instetten! Auf Liebe steht die Todesstrafe, und für Mord — und Mord war es doch, auch wenn du es ein Duell genannt hast und eine Ehrensache —, für Mord bekommt man sechs Wochen und wird begnadigt, und nach einiger Zeit geht die Karriere weiter. Aber schuld war doch ich. Man hätte die Schuldige vorladen und anhören müssen. Als ginge mich die Sache nichts an! Man mußte mich nur wegschicken. Lebenslängliche Verbannung, dazu hast du mich verurteilt. Entlassen wie ein Dienstbote, der silberne Löffel gestohlen hat. Wenn du nun zu mir gestanden hättest! Und wir wären zusammen nach Amerika ausgewandert, da fangen doch viele Menschen neu an. Oder auch zusammen nach Hohen-Cremmen! Landwirtschaften kann man doch lernen, und Vater wird alt. Unersetzlich in deinem Amt bist du wohl auch nicht, Instetten! Und jetzt? Nur so mit Pflicht und Ehre, das geht doch auch nicht gut. Manches dringt bis hierher und an meine Ohren, obwohl man mir alles fernhalten möchte. In der ersten Zeit habe ich gedacht: Instettens Ehre wird bald wieder hergestellt sein, eine Weile wird man noch sagen, ,der arme Instetten' und vielleicht auch mal jemand .seine arme Frau' und ,sie war ja noch jung'. Aber irgendwann würdest du dir eine neue Frau suchen, vielleicht sogar eine, die deiner Effi ein wenig ähnlich sieht, nur mit mehr Festigkeit und die nicht mehr erzogen werden muß und die
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