Die Romane „Jauche und Levkojen" und „Nirgendwo ist Poenichen" wurden vom westdeutschen Fernsehen in 36 Folgen verfilmt. Dabei verkörperte der inzwischen leider verstorbene Schauspieler Arno Aßmann, der in der vorausgegangenen westdeutschen Fernsehverfilmung des „Stechlin" den alten Dubslav gespielt hatte, den alten Quindt 3.
Christine Brückner gehört zu den traditionsgebundenen Autoren, ohne dem Epigonentum zu erliegen. Produktive „rückwärtige Bindungen'" 1 besitzt sie vor allem zu Fontane, als dessen „Enkelin"5 sie aufgrund stofflicher, motivischer und gestalterischer Verwandtschaft bezeichnet wurde. Bindung sowohl an Fontane als auch zur deutschen Romantik, speziell zu Eichendorff, zeigt der Monolog Effi Briests in der Szenenfolge „Wenn du geredet hättest, Desdemona". 5 a In den „ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen" gestaltet Christine Brückner künstlerisch eine weiterführende Wiederbelebung überlieferter historischer oder literarisch-fiktiver Frauengestalten. In Sappho, Katharina von Bora, Christiane von Goethe oder in Desdemona und Effi Briest werden emanzipatorische Elemente entdeckt und freigesetzt. „Ein sprachgewaltiger Chor von Frauen — jede eine Solistin", urteilte Walter Jens 6 .
In den „ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen" nähert sich Christine Brückner m. E. am stärksten einem schonungslosen, kritischen Realismus. Aufgrund des aktuellen emanzipatorischen Ideengehaltes wie des dramatischen rhetorischen Gestus wurden ausgewählte „ungehaltene Reden" sowohl von Theatern aufgeführt als auch vom westdeutschen Fernsehen inszeniert, darunter auch die Effi-Rede mit Jutta Speidel als Effi Briest.
Christine Brückner verkörpert aus unserer Sicht eine produktive Fontane-Aneignung durch einen deutschsprachigen Gegenwartsschriftsteller. Brückners große Wirkung resultiert nicht zuletzt aus der Beziehung zu Fontane, bei dem es in exemplarischer Weise um Lebensähnlichkeit, Glaubwürdigkeit, balladeske Einfachheit der Fabel, Beseeltheit und Einprägsamkeit der Figuren, Sprachbewußt- heit im allgemeinen und sprachliche Individualisierung der Gestalten im besonderen, um Humor und Ironie geht — alles Elemente, die bei Christine Brückner in einer anderen erzählerischen Welt modifiziert wiederkehren.
Anmerkungen / Quellenangaben
1 Christine Brückner: Hat der Mensch Wurzeln? Autobiographische Texte. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gunter Tietz, Verlag Ullstein Frankfurt/M.-Berlin (West) 1988, S. 8
2 Christine Brückner: Mein schwarzes Sofa. Aufzeichnungen. Verlag Ullstein Frankfurt/M.-Berlin (West) 1981, S. 274
3 Vergleiche dazu Joachim Biener: Zur Aneignung von Fontanes Epik durch Film und Fernsehen, Fontane-Blätter Band 4, Heft 8 (Heft 32 der Gesamtreihe, 1981), S. 724
4 Thomas Mann in „Meine Zeit" in „Zeit und Werk", Aufbau-Verlag Berlin 1956, S. 588
5 Christine Brückner/Otto Heinrich Kühner: Deine Bilder — Meine Worte. Prophyläen-Verlag Frankfurt/M.-Berlin (West) 1987, S. 35
6 Walter Jens in „Mein Buch des Monats", Ullstein Presse-Service Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner o. J. S. 51
(Joachim Biener)
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