Heft 
(1989) 47
Seite
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Die RomaneJauche und Levkojen" undNirgendwo ist Poenichen" wurden vom westdeutschen Fernsehen in 36 Folgen verfilmt. Dabei verkörperte der inzwischen leider verstorbene Schauspieler Arno Aßmann, der in der vorausgegangenen west­deutschen Fernsehverfilmung desStechlin" den alten Dubslav gespielt hatte, den alten Quindt 3.

Christine Brückner gehört zu den traditionsgebundenen Autoren, ohne dem Epigonentum zu erliegen. Produktiverückwärtige Bindungen'" 1 besitzt sie vor allem zu Fontane, als dessenEnkelin"5 sie aufgrund stofflicher, motivischer und gestalterischer Verwandtschaft bezeichnet wurde. Bindung sowohl an Fontane als auch zur deutschen Romantik, speziell zu Eichendorff, zeigt der Monolog Effi Briests in der SzenenfolgeWenn du geredet hättest, Desdemona". 5 a In denungehaltenen Reden ungehaltener Frauen" gestaltet Christine Brückner künstlerisch eine weiterführende Wiederbelebung überlieferter historischer oder literarisch-fiktiver Frauengestalten. In Sappho, Katharina von Bora, Christiane von Goethe oder in Desdemona und Effi Briest werden emanzipatorische Elemente entdeckt und freigesetzt.Ein sprachgewaltiger Chor von Frauen jede eine Solistin", urteilte Walter Jens 6 .

In denungehaltenen Reden ungehaltener Frauen" nähert sich Christine Brückner m. E. am stärksten einem schonungslosen, kritischen Realismus. Aufgrund des aktuellen emanzipatorischen Ideengehaltes wie des dramatischen rhetorischen Gestus wurden ausgewählteungehaltene Reden" sowohl von Theatern aufgeführt als auch vom westdeutschen Fernsehen inszeniert, darunter auch die Effi-Rede mit Jutta Speidel als Effi Briest.

Christine Brückner verkörpert aus unserer Sicht eine produktive Fontane-Aneig­nung durch einen deutschsprachigen Gegenwartsschriftsteller. Brückners große Wirkung resultiert nicht zuletzt aus der Beziehung zu Fontane, bei dem es in exemplarischer Weise um Lebensähnlichkeit, Glaubwürdigkeit, balladeske Ein­fachheit der Fabel, Beseeltheit und Einprägsamkeit der Figuren, Sprachbewußt- heit im allgemeinen und sprachliche Individualisierung der Gestalten im beson­deren, um Humor und Ironie geht alles Elemente, die bei Christine Brückner in einer anderen erzählerischen Welt modifiziert wiederkehren.

Anmerkungen / Quellenangaben

1 Christine Brückner: Hat der Mensch Wurzeln? Autobiographische Texte. Her­ausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Gunter Tietz, Verlag Ull­stein Frankfurt/M.-Berlin (West) 1988, S. 8

2 Christine Brückner: Mein schwarzes Sofa. Aufzeichnungen. Verlag Ullstein Frankfurt/M.-Berlin (West) 1981, S. 274

3 Vergleiche dazu Joachim Biener: Zur Aneignung von Fontanes Epik durch Film und Fernsehen, Fontane-Blätter Band 4, Heft 8 (Heft 32 der Gesamtreihe, 1981), S. 724

4 Thomas Mann inMeine Zeit" inZeit und Werk", Aufbau-Verlag Berlin 1956, S. 588

5 Christine Brückner/Otto Heinrich Kühner: Deine Bilder Meine Worte. Prophyläen-Verlag Frankfurt/M.-Berlin (West) 1987, S. 35

6 Walter Jens inMein Buch des Monats", Ullstein Presse-Service Christine Brückner und Otto Heinrich Kühner o. J. S. 51

(Joachim Biener)

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