Was die Schriften zur Kunst angeht, so ist der Leser von H bestens bedient, sofern er bereit ist, die erwähnten drei Bände zu Rate zu ziehen. Trotz dem Auswahlprinzip in der dritten Abteilung („Erinnerungen, ausgewählte Schriften und Kritiken") stehen ihm die meisten Arbeiten Fontanes in diesem Bereich zur Verfügung. Er entbehrt nur kürzere, thematisch enge Aufsätze, einige Buchrezensionen, die weitgehend nur skizzierte gröbere Arbeit über Carl Blechen und die 29 zum größten Teil 1862 für das „Biographische Lexikon der Gegenwart" Männer der Zeit des Verlages Lorck geschriebenen Künstlerbiographien. Bedenkt man, daß der Kommentar von H III.5 mehrere dieser im Textteil fehlenden Arbeiten jedenfalls auszugsweise enthält, dann schrumpft das vom Herausgeber Aus- geschiedene auf durchaus Entbehrliches zusammen. Bedauert hat der Rezensent nur, daß Fontanes zu verschiedenen Zeiten geschriebene kürzere Arbeiten über denjenigen Maler, den er persönlich am besten kannte und der sich im Rückblick neben ihm selbst als größter preußischer Künstler der Epoche darstellt, nämlich Adolf Menzel, durch den Aufbau des Bandes nur im Anhang figurieren. Dagegen bekommt der Leser durch die ununterbrochene Folge der Artikel über die zweijährlich stattfindenden Berliner Ausstellungen neuer Kunstwerke, die Fontane als Kunstkritiker verschiedener Zeitungen veröffentlichte, ein zusammenhängendes Bild von den ästhetischen Anschauungen seiner mittleren Jahre. Es ist nur ein weiteres Zeichen für die nur selten von Oasen unterbrochene künstlerische Wüste, in der Fontane sein Werk schuf, daß er seine Überlegungen zur zeitgenössischen bildenden Kunst an Werken gewinnen mußte, die wegen ihrer Unbedeutendheit lange in den Kellern der Museen verschwunden sind. Gerade darum ist es außerordentlich verdienstvoll, daß der Band 25 der von Fontane besprochenen Gemälde im Anmerkungsteil in trotz dem kleinen Format bemerkenswert klaren Schwarz- Weiß-Reproduktionen wiedergibt. Sie tragen außerordentlich zur Veranschaulichung von Fontanes Ausstellungsberichten bei, deren erster über die Exponate von 1860 eine Überraschung darstellt. Er erschien in vier Folgen in der österreichischen Zeitung „Das Vaterland" und ist in N noch nicht enthalten. Der Kommentar enthält keinen Hinweis auf einen vorhergehenden Neudruck, und auch Sonja Wüstens grundlegender Aufsatz über Fontanes kunstkritische Schriften (in „Fontane-Blätter", H. 27) enthält nur eine Anmerkung über eine Abschrift des Textes, so daß der Leser annehman muß, H enthalte mit diesem Ausstellungsbericht einen bisher nach der originalen Publikation nicht wieder veröffentlichten Text.
Sind einerseits die Kunstwerke, die Fontane beurteilt und an denen er seine Kunsterkenntnisse gewinnt, in den allermeisten Fällen unerheblich, so veranlassen sie ihn doch immer wieder zu kurzen grundlegenden Ausführungen, etwa über die damals gängige Schlachtenmalerei (S. 568 ff.) oder über die Präraphaeliten (S. 540 f.), die für den Fontaneforscher und -leser von höchstem Interesse sind. In der schätzenswerten Einführung der Herausgeberin und auch in dem erwähnten Aufsatz von Wüsten ist über Fontanes Kunstanschauungen Sachkundiges gesagt. Am auffälligsten sind die Ausstellungsberichte für das Realismusverständnis der mittleren Jahre Fontanes, der zu dieser Zeit noch geradezu ängstlich an einer Verklärung der Wirklichkeit festhält und weit entfernt ist vom Naturalismus, dem er sich um 1890 auf so erstaunliche Weise öffnete.
Das Fazit über die Kunstschriften in H und insbesondere in dem vorliegenden Band ist also ein denkbar positives, aber der erste Teil des Bandes mit Auszügen aus den drei Kriegsbüchern zwingt den Rezensenten zu größeren Bedenken. Er wird von Helmuth Nürnberger, dem um die Fortführung von H und die Fontane-
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