Heft 
(1989) 47
Seite
96
Einzelbild herunterladen

Fontane, die auch den Blick auf ganz persönliche Lebensumstände ermöglichen. Überhaupt spielen die Ehefrauen, besonders aber Frau von Merckel eine gewich­tige Rolle, so daß der UntertitelEin Familienbriefwechsel" durchaus angemessen erscheint. Gleichzeitig wird damit jedoch etwas anderes überdeckt, denn diese Briefe sind durchaus auch ein Politikum.

Einen möglichen Zugang zu dieser Korrespondenz stellen ganz aktuelle Über­legungen zu einer notwendigen Kultur des politischen Streits, zum Aushalten­können weltanschaulicher Gegensätze dar. Es sei hier nur kurz auf die Brisanz der Merckel-Fontaneschen Freundschaft hingewiesen.

Zwischen dem Beginn ihrer Bekanntschaft und dem Tode Wilhelm von Merckels 1861, der die Beziehungen der Familien jedoch nicht beendete, liegen ereignis­reiche Jahre: Vormärz, Revolution und Konterrevolution, die Manteuffelsche Ära und deren Ende; auch international ist es eine bewegte Zeit.

Theodor Fontane und Wilhelm von Merckel kannten sich aus dem literarischen SonntagsvereinTunnel über der Spree" und waren seit Anfang der 50er Jahre gut befreundet. Auf der einen Seite Fontane, der aus seiner demokratischen Gesinnung kein Hehl machte, auf der anderen von Merckel, derforsche Anti­demokrat" (G. Erler in der Einleitung, S. 11). Dieser fand mit zwei Versen aus einem mehrstrophigen Machwerk Eingang in dieGeflügelten Worte":Gegen Demokraten/ helfen nur Soldaten!"

Der 16 Jahre ältere von Merckel wird jedoch der Förderer Fontanes, der mit Balladen wieJoachim Hans von Zieten, Husarengeneral" imTunnel" Erfolge erntet. In den 50er Jahren heißt Fontanes Vorgesetzter zeitweise Merckel, der nichts weniger tut als der jungen Familie Fontane das materielle Überleben zu ermöglichen. Zu lesen ist, wie die frühe Polarität sich wandelt, ohne daß die Unterschiede verwischt werden.

Am Ende seines Lebens, von keinen Rücksichten in diesem Fall gedrängt, entwirft der so unfeierliche Fontane ein beinahe pathetisches Bild des seit langer Zeit verstorbenen Freundes. Das Merckel-Kapitel in Fontanes autobiographischer SchriftVon Zwanzig bis Dreißig" hat UhlandsLied vom guten Kameraden" als Motto. Soviel in aller Kürze an nicht leicht auf einen Nenner zu bringenden Fakten. Die Widersprüchlichkeit wird bei der Lektüre der Briefe und Dokumente, aber auch durch die nichts beschönigende, klug abwägende Einleitung des Her- ausgebers nicht aufgehoben, aber verständlich, ja nacherlebbar. In den 50er Jah­ren, besonders in der Londoner Zeit, aus der die meisten Briefe stammen, werden die Fontanes von den Merckels in vielen ausführlichen Briefen Wilhelm von Merckel glänzt durch Witz, Henriette durch Breite mit Nachrichten aus dem Berliner Freundeskreis versorgt. Der wichtige Lebensfaden nach Berlin reißt nie ab, und über diese Hilfe hinaus geben die Merckels dem oft bedrückten, manch­mal verzweifelten, weil in manchem Vorhaben gescheiterten Theodor Fontane nicht minder wichtigen Zuspruch.

Das publizierte Material umfaßt 179 Briefnummern, hinzu kommen knapp 50 Seiten Dokumente und Zeugnisse, die über die Beziehungen der beiden Familien durch weitere öffentliche und private Äußerungen berichten. Den Texten sind einige Fotos, Zeichnungen und Faksimiles beigegeben, darunter in Band 2 auf Seite 108 auch ein Brief Henriette von Merckels, bei dem sie den bereits beschrie­benen Bogen vor einem zweiten Beschreiben um 90° drehte.

Anmerkungen und Register nehmen gut 130 Seiten der insgesamt 838 Seiten ein. In bewährter Weise sind sie so gehalten, daß man sich ihnen gern anvertraut.