(Verlage, Presse, Zeitschriften, Theater), literarische Gruppierungen und Avantgarden, neue Publikums- und Trägerschichten von Literatur, neue Medien (Film, Funk), weitreichende Emanzipations- und Assimilierungsvorgänge (Arbeiterbewegung) genügen da nicht. So sind die Einzelverfasser auch weitgehend allein bzw. — anders herum gesehen — frei gelassen. Was dann zum anderen wiederum dazu führt, daß sie sich eigentlich nur an ihre jeweiligen Gegenstände gebunden fühlen und sich so ihre Beiträge fast hermetisch voneinander abschließen. Ein produktives Gegeneinander-in-Bezug-Setzen gerät zum Zufallsprodukt, dadurch Doppelungen ebenso wie Lücken freisetzend. Die Texte, als „Studien" propagiert, lassen sehr häufig gerade diesen Charakter vermissen. Kaum sind methodisch originäre und weiterführende Zugriffe konstatierbar. Der Umgang mit über das Bekannte hinausgehendem Quellenmaterial (z. B. W. Höppner über Wilhelm Scherer) bleibt ebenso die Ausnahme wie die Auseinandersetzung mit neuen Forschungsansätzen oder -trends. Meistens bietet sich ein Bild von eher bieder wirkenden biographisch/monographischen Abhandlungen nach dem Muster Berlin und die oder jene Person, der Autor, die Gruppe usw.
Zur Illustration seien nur einmal die zeitlich im Fontaneumkreis angesiedelten Beiträge zu Paul Lindau (Roland Berbig), Georg Brandes (Flemming Hansen) und Wilhelm Scherer (Wolfgang Höppner) herangezogen. In Berbigs Lindau- Studie wird z. B. von vornherein die These einer prototypischen, modernen Kritikerkarriere gesetzt, um danach durch programmatische Selbstaussagen, zeitgenössische Einschätzungen und die Darstellung literarischer Fehden den Aufstieg und Fall des .Literaturpapstes' Lindau nachzuzeichnen. Ähnlich Hansen, der den recht schwierigen Bemühungen Brandes', in der Literaturmetropole Berlin Fuß zu fassen, nachgeht und dabei v. a. die breitgefächerte Resonanz seines Wirkens ausführlich dokumentiert. Und Höppner wiederum zielt in seinem Aufsatz insonderheit darauf, Scherers Rolle und Stellung innerhalb der literarischen Öffentlichkeit Berlins herauszuarbeiten und dabei dessen Verdienste um eine akademische Anerkennung und Förderung zeitgenössischer Literatur zu würdigen. In allen drei Aufsätzen werden dabei zum Teil sehr minutiös Kontakte, Beziehungen und Verbindungen zu Persönlichkeiten des kulturellen Lebens, zu Zeitschriften, Verlagen und anderen Institutionen des damaligen Berlin beschrieben. Die inneren Funktionsmechanismen und vielschichtigen Kommunikationsstrukturen werden damit aber lediglich in ihrer Oberflächensignatur transparent. Obwohl in etwa der gleiche Zeitraum zur Debatte steht (70er und 80er Jahre) und zum Teil ähnliche oder sogar gleiche Vorgänge und Fakten eine Rolle spielen, kommt zwischen den Studien weder direkt noch indirekt ein Dialog zustande. Ein lebendiges Bild von dem, was literarisches Leben in seinen ökonomischen, sozialen, politischen, bewußtsemsmäßigen oder auch ästhetischen Verschränkungen und Vermittlungen bedeutete, ist für den Leser so aber nur sehr schwer herstellbar.
Die Entscheidung hingegen, die beiden Sammelbände mit einer Studie über Theodor Fontane beginnen zu lassen, muß konzeptionell als wohl durchdacht und, betrachtet man das Ergebnis, auch als wirklich fruchtbringend bewertet werden. Verkörpert Fontane doch eine der großen literarischen Zentralfiguren des 19. Jahrhunderts, der auf das engste mit dem Wachsen und Werden Berlins, wo er insgesamt rund sechs Jahrzehnte seines Lebens verbracht hat, verbunden war. Fontanes Wurzeln reichen dabei zurück bis in die Vormärzperiode, und er erlebte den Aufstieg Berlins zur Großstadtmetropole des Deutschen Reiches ebenso hautnah mit wie den damit verbundenen literarisch-kulturellen Wandlungsprozeß-