Remenkova trägt dazu mit einer fülle interessanter Details bei, ohne die geschichtliche Dimension des Vergleiches in den nachfolgenden Kapiteln wieder zu erreichen. Im Kapitel VI (Figurenwahl im Bereich des Militärs, Tapferkeit und Heldentum) kommt sie auf die Stellung Napoleons als Held „hinter der Szene" zurück. Nachdem sie Kutusov (S. 189) mit allen negativen Zügen vorstellt, die Tolstoi ihm verlieh, hebt Remenkova „seine Fähigkeit, den Volkswillen zu erkennen und sich ihm unterzuordnen" hervor. Fontanes Soldatenfiguren (von Bamme bis Jürgaß, von Hirschfeld über Bummke zu Bninski) werden zu sehr an ihrem „Verhältnis zum Soldatentum" gemessen (S. 191), das durchaus historisch sein kann, um auf den Kern der geschichtlichen Bewegung zu kommen. Sehr schön wird auch die Rolle der Gespräche herausgearbeitet (S. 193 ff.), aber die Einteilung in „positive" und „negative" Figuren (S. 19 7 ) führt nicht weiter: Tolstoi habe positive und negative Militärs, bei „Fontanes Vertretern des Militärs handelt es sich ausschließlich um positive Gestalten" (Zusammenfassung S. 208). Die entwickelnden Passagen der Arbeit sind allesamt reicher an Gedanken und Erkenntnis als solche Zusammenfassungen. Ein Schritt in die Vor-Geschichte der letzten Fassung eröffnet, weitere Einblicke. Veselina Remenkova hat gründlich im Bereich der Sekundärliteratur recherchiert. Aus dem Bereich der Fontane- Forschung fehlt kaum eine Arbeit zur Entstehungsgeschichte. Aber dies sind bekanntlich ältere Arbeiten: Rosenfeld 1926, Biehahn 1969; und die Hinweise (Anmerkungen) der .Aufbau- bzw. Hanser-Werkausgabz hätten die Verfasserin darauf leiten können, wieviele ungehobene Schätze (aus denen zitiert wird) allein im Fontane-Archiv in Potsdam lagern (Notizbücher A 8, 12, 21; E2 und E3).
Wir wollen nicht ungerecht sein. Die Arbeit vereint Aspekte zweier Philologien, und das ist sehr anerkennenswert, weil im Vergleich dazu beigetragen werden kann, zumindest den Fontane-Roman aus dem Zwielicht allzu heterogener Wertungen zu befreien (siche die hohe Wertschätzung z. B. H. Manns; einseitig-historisches Verdikt bei G. Lukäcs). Eine tiefere Einbettung der hier ermittelten Analogien und Unterschiede wird von drei Seiten aus erfolgen. Einmal durch die Aufarbeitung der handschriftlichen Überlieferung, die jetzt begonnen wurde; zum anderen durch breiter angelegte Vergleiche mehrerer Disziplinen. Das letzte Wort freilich haben die Leser, wenn die hochverdienstvollen Leistungen der Editoren und Literarhistoriker ein breites Publikum erreichen. Tolstoi, Thackeray, Flaubert, Fontane u. a. dürften dann als unterschiedliches und unverwechselbares Echo auf eine uns wichtige Zeit erscheinen. Der Vergleich bereichert uns.