Walter Hettche, München (Hrsg.)
Ein bisher unbekanntes Fontane-Bildnis
Am 30. Juni 1862 schreibt Fontane an seine in Neuhof weilende Frau Emilie: „Außerdem wünsch' ich, daß Du Dich von Korneck malen läßt. Theils alte Bekanntschaft, theils meine Kreuz-Ztngs-Stellung wird ihn dazu sehr willfährig machen und wir werden für 4 bis 5 Louisd'or ein hoffentlich hübsches Bild haben können. Wir sind ja nun beide (leider) an der Grenzscheide der Jugend angelangt und was geschehen soll muß bald geschehn, sonst heißt es ,zu spät'. Auch meine ewige Jugend wird immer problematischer." 1
Die „alte Bekanntschaft" Fontanes mit dem in Breslau geborenen Berliner Maler Rudolf Albert Korneck (1813—1905) ist in den überlieferten Briefen und autobiographischen Aufzeichnungen Fontanes nicht dokumentiert, und auch ein Porträt Emilies von Kornecks Hand ist offenbar nicht angefertigt worden. Trotz der Mahnung des 43jährigen, eingedenk der nicht ewig währenden Jugend sich „recht bald" porträtieren zu lassen, dauerte es weitere 27 Jahre, bis Fontane selbst am 9. November 1889 Albert Korneck, dem äußerst produktiven Maler der Berliner Hofgesellschaft — er hinterließ über 400 Porträts —, für ein Bleistiftporträt 2 Modell saß. Die sehr detaillierte Ausführung des Bildnisses weist es als eine abgeschlossene Arbeit aus, nicht etwa als eine Vorstudie zu einem größeren Gemälde. Gerade in der Bleistiftzeichnung kommt die naturalistische', ungeschönte, aber dennoch würdige Darstellung des alten Fontane besonders gut zum Ausdruck. — Die Datierung läßt darauf schließen, daß die Zeichnung im Zusammenhang mit den bevorstehenden Feierlichkeiten zu Fontanes 70. Geburtstag am 30. Dezember 1889 entstanden ist. Gleichwohl ist das Blatt offenbar weder damals noch in den folgenden hundert Jahren reproduziert worden.
Es ist eine Freude, das Porträt nun als kleinen Gruß an die verehrte Fontane- Forscherin Charlotte Jolles zum 5. Oktober 1989 veröffentlichen zu können.
Anmerkungen
1 Theodor Fontane: Briefe. Hrsg. Otto Drude u. a. München: Hanser 1979. Bd. II, S. 74 f.
2 Die Zeichnung (Format 27,5 mal 23,9 cm) wurde im Jahre 1970 von einer privaten Sammlerin dem Freien Deutschen Hochstift in Frankfurt am Main übergeben, in dessen Bildabteilung es nun aufbewahrt wird. Ich danke der Direktion des Freien Deutschen Hochstifts und der Leiterin der Bildabteilung des Instituts, Frau Dr. Petra Maisak, für die freundlich gewährte Erlaubnis zur Veröffentlichung.
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