Walter Hettche, München (Hrsg.)
Theodor Fontane und der Verleger Rudolf von Decker*
Die Bücher Theodor Fontanes, die im „Verlag der Königlichen Geheimen Ober- Hofbuchdruckerei (R. v. Decker)" erschienen sind, haben weder bei den Zeitgenossen noch bei der Nachwelt den Erfolg gehabt, den sich Autor und Verleger wünschten. Allenfalls die Erinnerungsbücher Kriegsgefangen und Aus den Tagen der Okkupation erfreuen sich bis heute wegen ihres autobiographischen Gehaltes einiger Beliebtheit. Die großen Darstellungen — Der Schleswig-Holsteinsche Krieg im Jahre 1864, Der deutsche Krieg von 1866 und Der Krieg gegen Frankreich 1870/71 — sind jedoch, trotz einiger Rettungsversuche in jüngerer Zeit, 1 so gründlich vergessen und ungelesen wie kaum ein anderes Werk ihres Autors.
Fontane selbst gesteht, daß ihm diese Bücher „keine Herzenssache" 2 gewesen seien. Sie sind Auftragsarbeiten für den Verleger Rudolf Ludwig von Decker (1804 —1877), der auf Fontane durch dessen Wanderungen durch die Mark Brandenburg aufmerksam geworden war — wobei die genauen Umstände und Modalitäten der Auftragserteilung aus den überlieferten Dokumenten nicht genau zu rekonstruieren sind — und der gegenüber dem Konkurrenzverlag Mittler & Sohn, bei dem die offiziellen Generalstabswerke erschienen, mit prachtvoll ausgestatteten volkstümlichen, aber dennoch wissenschaftlich soliden Darstellungen hervortreten wollte. Sein Verlagsprogramm zeigt, wieviel Wert er auf opulente Illustrationen und splendide äußere Ausstattung legte, und so barocke Titelangaben wie „Rudolf Maria Bernhard Graf v. Stillfried-Rattonitz: Die Krönung Ihrer Majestäten des Königs Wilhelm und der Königin Augusta von Preußen zu Königsberg am 18. Oc- tober 1861. Imperial-Folio, XIX, 174 S„ mit eingedruckten Holzschnitten, 16 Steintafeln in Tondruck und 1 Photogravüre nebst Beilagen, 84 S." sind ebenso Belege für die Ansprüche, die Decker an seine Bücher stellte, wie das Glanzstück seines Hauses, die dreißigbändige Ausgabe sämtlicher Werke Friedrichs des Großen, die zwischen 1846 und 1857 erschien.
Das Verhältnis zwischen Fontane, Decker und den anderen am Entstehen der Kriegsbücher Beteiligten ist ausgesprochen spannungsreich. In den rund zehn Jahren, über die sich der Großteil des Briefwechsels erstreckt, gibt es für Fontane immer wieder Anlaß zu Klage und Streit — selbst gelegentliche Ansätze zur Intrige lassen sich beobachten. 3 Das unterscheidet diese Korrespondenz grundlegend von dem anderen großen Verlegerbriefwechsel Fontanes, den wir kennen, dem mit Wilhelm Hertz. Mit dem Verleger der Wanderungen durch die Mark Brandenburg, der Gedichte und des ersten Romans, Vor dem Sturm, verbindet Fontane eine freundschaftliche Beziehung, und wenn es zwischen beiden einmal zum Streit kommt, nimmt er nicht die Vehemenz an, die in den Briefen an Decker öfter sichtbar wird.
Solche Konflikte entzünden sich, wie man es von Auseinandersetzungen eines Autors mit seinem Verleger erwarten kann, immer wieder an der Honorarfrage. Noch 1888, als der Verleger schon elf Jahre tot ist, bezeichnet Fontane ihn als „Ruppsack" 4 , und besonders während der Verhandlungen über das zweite Kriegsbuch, Der deutsche Krieg von 1866, kommt es einmal beinahe zum Abbruch der Beziehungen, 5 weil Decker in seiner „Knickrigkeit [...] mir für 50 Bogen nicht mehr Honorar bezahlen will als für 30." 6 Es sind indessen nicht diese finanziellen
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