Heft 
(1989) 48
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und geschäftlichen Dinge, deretwegen diese Verlegerkorrespondenz für die Fon­tane-Forschung wichtig ist. Sie erstreckt sich in ihrem größten Teil über die Jahre 1864 bis 1876, einen Zeitraum, den man als denjenigen desmittleren" Fontane zu bezeichnen pflegt. Diese Phase gehört zu den am wenigsten untersuchten in Fontanes Leben, obschon es ein Jahrzehnt wichtiger Entscheidungen und Ein­schnitte ist, die sowohl private als auch berufliche Um- und Neuorientierungen mit sich bringen. 1870 kündigt Fontane ohne Wissen seiner Frau seine Redak­teurstelle bei der konservativenKreuzzeitung" und beschwört damit eine ernste Krise seiner Ehe herauf, im gleichen Jahr wird er Theaterkritiker derVossischen Zeitung", 1876 nimmt er eine Stelle als Sekretär der Akademie der Künste in Berlin an, quittiert aber nach nur einem Vierteljahr den Dienst und entscheidet sich endgültig für ein Leben als .freier Schriftsteller' und damit für ein Leben in ständigen Geldsorgen. Dieser prinzipielle Entschluß bedeutet jedoch, abgesehen vom Feld der Theaterkritik, daß er in in erster Linie zum Broterwerb bestellt, noch keine Entscheidung für eine bestimmte literarische Gattung. So ist bis zum Ende dieses Jahrzehnts noch keines der großen Erzählwerke erschienen, die den Ruhm des Dichters begründen: Reiseberichte, Kritiken, Gedichte, Teile der Wanderungen durch die Mark Brandenburg das ist alles, was das Lesepublikum von Theodor Fontane bis dato hat zur Kenntnis nehmen können. Es ist jedoch gleichermaßen die Zeitspanne, in der der Erzähler Fontane an seinem ersten Werk arbeitet. Die Arbeit an dem großen historischen Roman Vor dem Sturm hat Fon­tane Anfang der sechziger Jahre aufgenommen; 1878, zwei Jahre nach dem letzten Halbband des letzten Kriegsbuches, liegt er in Buchform vor. Das etwa gleich­zeitige Entstehen des letzten Kriegsbuches und des Romans dokumentiert sich plastisch im Entwurfsmanuskript des Erzählwerks: Große Teile des Romans sind auf den Rückseiten von Manuskripten des Kriegs gegen Frankreich 1870/71 ent­worfen worden. Die beiden Briefe an den Verleger dieses Romanerstlings, Wilhelm Hertz, in denen Fontane die Arbeit an den Kriegsbüchern und die am Roman gegeneinander abwägt, 7 bringen auf den Punkt, worin die Spannungen der Zusam­menarbeit mit Rudolf von Decker begründet liegen. Es ist nicht so sehr der alltäg­liche kleineKrieg zwischen Setzer, Drucker, Korrektor und Schriftsteller", 8 der Fontanes Gereiztheit und nervliche Anspannung bewirkt, die in diesem Brief­wechsel stets zu spüren ist. Der Einsicht, daß dasEigenste" seines momentanen Schaffens in den Roman eingehe, steht das Bewußtsein gegenüber, daß er sich auch der einmal übernommenen Auftragsarbeit mit Sorgfalt zu entledigen habe und dies nicht nur im Hinblick auf Solidität und Genauigkeit in der historischen Darstellung, sondern vor allem auf die handwerkliche, künstlerische Bewältigung der gestellten Aufgabe. Immer wieder spricht Fontane in den Briefen an Decker, aber auch an andere Zeitgenossen davon, wie wichtig ihm die Klarheit und Übersichtlichkeit, die sprachliche Durchdringung und dieGruppierung massen­haften Stoffs" seien, 9 und immer wieder betont er, daß diese Art der künstlerischen Darbietung sein eigentliches und eigenstes Verdienst bei diesen Arbeiten sei, das ihn von150 Kollegen unterscheide" 10 . Am 29. August 1870 schickt er Hermann Kletke, dem Chefredakteur derVossischen Zeitung", den eben erschienenen 2. Halbband des Deutschen Krieges von 1866 und schreibt dazu:

Selbst meine Freunde (ja diese oft am wenigsten) haben eine Ahnung davon, was es mit diesem Buche eigentlich auf sich hat, und daß ich mir, gerade wie in meinenWanderungen", eine Behandlungsart erfunden habe, die vorher einfach nicht da war. Ich fordre jeden auf, der kann, mich zu widerlegen. Es soll ihm schwer werden.

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