Verzeihen Sie diese Zuversicht. Ich bin sonst nicht so. Ihre in solchen Dingen gewiß geübte Empfindung wird zwischen Geckenhaftigkeit und ruhiger Überzeugung zu unterscheiden wissen.
Manches davon, was in Briefen wie diesem nach Überheblichkeit oder übersteigertem Selbstbewußtsein klingt, ist in Wirklichkeit wohl Selbstaufmunterung, Rechtfertigung des eigenen Tuns und der eigenen »Behandlungsart" ebenso wie Ausdruck einiger Unsicherheit — gerade die Betonung der „ruhigen Überzeugung" deutet darauf hin — gegenüber der möglichen Wirkung dieser Kriegsbücher.
Während zeitgenössische Rezensenten gerade auch die „künstlerisch-vornehme" Darstellungsweise lobten, 11 haben Kritiker des 20. Jahrhunderts kaum noch Lobenswertes an diesen Werken gefunden. Hermann Fricke ist einer ihrer schärfsten. Im Falle des Deutschen Krieges von 1866 sei der Leser, so schreibt Fricke, »peinlich berührt durch das Ertrinken in Details, amtlichen Quellen, Regimentsund Namenkult" 12 , und Der Krieg gegen Frankreich 1870/71 sei „so trocken, ledern und aktenmäßig wie nur etwas" 13 . Solche Urteile sind indessen erkennbar geprägt von der Hochschätzung des alten Fontane, des Autors der Effi Briest, der Frau Jenny Treibel und des Stechlin, des Verfassers der Briefe an Friedlaender und der späten Spruchlyrik. Sie übersehen, daß man es bei dem Autor der Kriegsbücher mit einem Suchenden zu tun hat, der sein „Eigenstes" zwar dunkel vor sich sieht, aber noch nicht erreicht hat — obgleich er, wie man in dem Brief an Kletke erkennt, sich selbst glauben zu machen versucht, er habe dieses „Eigenste" bereits gefunden. Die Kriegsbücher erweisen sich als ein Teil des Weges hin zu dieser eigenen Kunst, und daß sie, vom Ende dieses Weges her gesehen, ein gänzlich unbedeutender Teil des CEuvres sind, wird man so ohne weiteres nicht behaupten können. Sie sind eine Stufe in der Entwicklung des Erzählers Fontane, wie er sich in den Bänden Kriegsgefangen und Aus den Tagen der Okkupation, die den Übergang von der Kriegshistorik zur Erzählprosa und zur Autobiographik bezeichnen, bereits ankündigt. Fontane selbst hat den Eigenwert der Kriegsbücher in ihrer Funktion als notwendiger Schritt zum Romanwerk deutlicher erkannt als viele der späteren Kritiker seiner Kriegshistorik: „Ich sehe klar ein", so schreibt er am 17. August 1882 an seine Frau, „daß ich eigentlich erst bei dem 70er Kriegsbuche und dann beim Schreiben meines Romans ein Schriftsteller geworden bin d. h. ein Mann, der sein Metier als eine Kunst betreibt, als eine Kunst, deren Anforderungen er kennt. Dies letztre ist das Entscheidende."
Was in diesem Brief an klarer Einsicht in die Bedeutung der Arbeit an der Kriegshistorik ausgesprochen wird, ist in ungeklärter', dem Schreiber selbst wohl nicht deutlicher Form bereits im Briefwechsel mit dem Verleger, dem Illustrator und anderen an Fontanes Arbeit Teilnehmenden enthalten: Das Ringen um die Klarheit der Darstellung, das ,Handwerk' des Schriftstellers, von dem man nicht wissen kann, wie es sich ohne die Auftragsarbeit der Kriegsbücher entwickelt hätte. Was Fontane selbst als eine Art Nebenwirkung der Arbeit an diesen Büchern erscheint, die Ausbildung und Vervollkommnung seiner schriftstellerischen Fertigkeiten, erweist sich im Rückblick als die historische Funktion dieser Arbeit — und zwar im Rückblick Fontanes wie der heutigen Forschung gleichermaßen. Die Position Gerhard Friedrichs, der in seinem Buch Fontanes preußische Welt: Armee — Dynastie — Staat dem Dichter eine lebenslange Begeisterung für alles Militärische, ja Soldatische attestiert und ihm gär unterstellt, er habe — in Hel- muth von Moltke — „die vollkommene Gestaltwerdung des Soldatischen im Menschen" 14 bewundert, scheint mir angesichts der Militarismuskritik des späten
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