Fontane unhaltbar. Die Ablehnung einer Neuauflage des Schleswig-Holsteinschen Kriegs im Brief vom 17. September 1894 spricht für sich.
Das Bemühen um die sprachliche Vollendung der Kriegsbücher wird gerade im Vergleich der Briefe an den Verleger mit denjenigen an den Illustrator Ludwig Burger deutlich erkennbar. Schon in dem Lob, das Fontane Burger für eine seiner Zeichnungen zum Schleswig-Holsteinschen Krieg ausspricht, wird seine ironische Distanz zu solchem Beiwerk deutlich: „Am Dannewerk (sehr hübsch) habe ich den Paukenstock, aus dem der Elefantenrüssel aufwächst, nicht recht verstanden; mir fehlt hier wahrscheinlich die Anschauung von etwas Tatsächlichem." 15 Das erinnert im Duktus sehr an einen Brief, den Fontane am 25. Januar 1857 an seinen fünfjährigen Sohn George schreibt: „Deine Bleistiftzeichnungen sind mir gestern zugegangen und haben mich sehr erfreut. [...] Die beiden Bäume, von denen der eine im zweiten Stock, der andre sich gar auf dem Dach befindet, sind mir nicht völlig klar; doch muß denn alles klar sein? Dummes Zeug! Alles Große hüllt sich in Dunkel, und alles Dunkle (nur muß es sehr dunkel sein) darf auf die Größe pochen, die sich in ihm verbirgt." Mit Kritik an einzelnen Zeichnungen Burgers hält sich Fontane auch gegenüber Decker nicht zurück; die Unzufriedenheit mit der Priorität, die Burger der Illustration gegenüber dem Text einräumt, spricht er jedoch zunächst nur Dritten gegenüber offen aus. An Friedrich Eggers schreibt er am 6. Februar 1870: „Du hast vielleicht von der großen Schlacht bei Seubotten- reuth gehört, die 1866 die Mecklenburger geschlagen haben. Burger hat jene Gegenden mit Vorliebe bereist und so viele Illustrationen gemacht, daß ich in die Lage gekommen bin, Seubottenreuth etwa zu behandeln wie Königgrätz, bloß damit die Bilder doch einen gewissen Text-Rahmen bekommen." Der Ärger über eine solche Aufwertung der Zeichnungen, die Fontane Änderungen seiner eigenen Konzeption aufdrängte, hat ihn schließlich dazu bewogen, bei den Verhandlungen über das letzte der drei Kriegsbücher dem Verleger unmißverständlich seinen Standpunkt darzulegen: [...] der herkömmlichen Maler-Anschauung: ,Die Bilder
sind alles, der Text ist nichts', ordne ich mich zunächst nicht wieder unter. Ich schreibe das Buch ohne Rücksicht auf die Bilder, ohne persönliches Einvernehmen mit der Künstler-Welt und unbekümmert darum, ob sich hinterher eine Illustrierung empfiehlt oder nicht." 10
Trotz der Bemühungen um historische wie literarische Solidität hat man Fontane vorgeworfen, seine Kriegsbücher zu großen Teilen aus fremden Werken kompi- latorisch zusammengestellt- zu haben. Dieser Eindruck könnte sich tatsächlich aufdrängen, wenn man die Literaturverzeichnisse der Werke über die Kriege von 1866 und 1870/71 betrachtet. Es ist aber dennoch ein falscher Eindruck. Für alle drei Werke hat Fontane mehrere Reisen zu den Kriegsschauplätzen unternommen: er war zweimal in Schleswig-Holstein und Dänemark, zweimal in Böhmen, Thüringen und Franken und zweimal in Frankreich, um sich einen unmittelbaren Eindruck von den Orten der zu schildernden Kämpfe zu verschaffen. Das hat Wenig gemein mit jenen „Reklamefahrten zur Hölle", wie sie Karl Kraus nach dem ersten Weltkrieg in einer bitteren Glosse in der „Fackel" gegeißelt hat. 17 Insbesondere die erste Fränkreichreise Fontanes ist weit davon entfernt, bloßes touristisches Vergnügen eines Sensations- und Schaulustigen zu sein: Bei einem Besuch des Geburtsortes der Jeanne d'Arc Wird Fontane unter dem Verdacht der Spionage verhaftet und schließlich zwei Monate lang gefangengehalten, eine Zeit, in der er — wie er später gesteht — auch damit rechnete, füsiliert zu werden. 18 Die Zeitgenossen Fontanes, wie Ludwig Pietsch in seiner Rezension von 1874,
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