wäre es verfehlt, bei Fontane nur ein ästhetisches oder rein historisches Interesse vorauszusetzen. Die kleinen Randnotizen zum Zeitungsausschnitt vom 18. Februar 1879 legen den Gedanken nahe, daß Büchsels Bekennermut und Unerschrockenheit (zusammen mit seinem Humor) Fontane imponiert haben müssen. Büchsel war nicht zu korrumpieren, er lief) sich ebensowenig von einer äußeren Macht oder vom gesellschaftlichen Ansehen betören. Diese Haltung der inneren Resistenz gegen Macht und Geld verlieh Büchsel trotz seiner Antipathie gegen die bürgerliche Revolution vom Jahre 1848 einen demokratischen Wesenszug. Dabei hat Fontane gewiß nicht übersehen, daß Büchsels unermüdlicher Einsatz als christlicher Pastor auf authentischer Liebe für seinen Nächsten beruhte. Büchsel bekümmerte sich auf selbstlose Weise um die anderen, innerhalb und außerhalb seiner Gemeinde. Ich wage deshalb die Behauptung, daß dieser wichtige ethische Aspekt seines Lebens in das humane Ethos von Fontanes eigenem Pfarrer Lorenzen aus Der Stechlin eingeflossen ist.
Angesichts der hier dargestellten Unterschiede zwischen Briefaussagen, künstlerischen Werken und anderen Zeugnissen kann wohl weder von einem durchweg positiven noch negativen Urteil Fontanes über den Pfarrer gesprochen werden. Sowohl innerhalb der Briefe als auch der epischen Werke treffen wir auf unterschiedliche Wertungen. Diese Ambivalenz des Autors findet sich auch in seinen Äußerungen über Karl Büchsel. Meine Darlegungen zielten darauf, diese Ambivalenzen bzw. Widersprüche bei Fontane sichtbar zu machen, ohne den Anspruch zu erheben, sie endgültig auflösen zu können.
Allerdings könnte Karl Büchsel insofern ein Schlüssel zur Erklärung der positiven Rolle des Pfarrers in Fontanes Werk sein, da bei ihm kein machtbeflissener Sekundant des Adels den Ton angibt, sondern eine um religiöse Wahrheit und praktisch-humanistische Wirkung bemühte Persönlichkeit, die in ihrer Zeit unter gesellschaftlichem Aspekt offensichtlich als einflußreiche Gestalt gilt.
Anmerkungen
1 Fontane schreibt im Nachwort zu seinem Band Spreeland folgendes über die Landpastoren: „Und aus ihren Reihen war es denn auch, daß mir meine recht eigentlichsten Mitarbeiter erwuchsen, solche, die sich's nicht bloß angelegen sein ließen, mir den Stoff, sondern eben diesen Stoff auch in der ihm zuständigen Form zu geben.”
2 Goethe kommt im zehnten Buch des zweiten Teils von Dichtung und Wahrheit auf seine folgenreiche Bekanntschaft mit Goldsmiths Landpfarrer von Wake- field zu sprechen.
3 In seinen Anmerkungen zu Fontanes Briefen an Georg Friedlaender betont Kurt Schreinert die große Bedeutung Büchsels für Fontane; siehe S. 352.
4 Der Nachruf erschien in: Erste Beilage zur Vossischen Zeitung, Nr. 385 (Dienstag) vom 20. 8.1889.
5 Vossische Zeitung vom 20. 8.1889. Eine kleine Auswahl aus der Literatur zu Karl Büchsel gebe ich am Schluß der Anmerkungen.
6 So etwa folgende Ausgaben: Eine leuchtende Spur. Bilder aus D. Karl Büchsels Leben und Wirken. Bearbeitet von W. Jörn. Heiligenbeil-Rosenberg (Osptr.) 1928.
Aus den Erinnerungen und Erfahrungen eines Landgeistlichen und Generalsuperintendenten. Hrsg, von Friedrich Seebaß. Giessen/Basel 1953.
Vom Bauernhof zur Kaiserstadt. Altes und Neues aus dem Leben von Carl Büchsel. Hrsg, von Hans Berneck. Potsdam 1933.
Erinnerungen eines Landgeistlichen. Neubearbeitet und mit einer Einführung versehen von (Julius) Roessle. Konstanz 1966.
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