10 Fontane Blätter 109 Unveröffentlichtes und wenig Bekanntes In Mappe 36 tauchte neben Autographen von Karl Immermann 6 , Emanuel Geibel 7 und weiteren der hier vorgestellte Brief von Theodor Fontane vom »6. Nov. 85« auf. Es gab bisher keinen Hinweis auf dessen Existenz. In Fontanes 1885 eher kursorisch geführtem Tagebuch finden weder der Briefeingang der»Frau Direktor Luise Kummerfeld geb. Lohde« noch die Beantwortung am 6. November an die»Gnädigste Frau« Erwähnung. Nicht ungewöhnlich, auch die Briefe, die er am 4.11. an seinen Sohn Friedrich 8 und am 5.11. an Richard Béringuier 9 schreibt, bleiben dort unerwähnt. Dagegen hält er für den Zeitraum von Anfang Juni bis 8. Oktober 1885 fest »[…], dann begann ich Prolog, Toast und Verse zum großen Koloniefest, 200jährige Jubelfeier, zu schreiben« 10 und setzt für den Zeitraum vom 9. Oktober bis 17. November fort: Am 1. November feierte die Kolonie das Fest ihres 200jährigen Bestehens in Brandenburg bzw. Berlin.[….] Am Abend Schauspiele im großen Saale der Philharmonie, Prolog, sechs lebende Bilder(Hugenottenzeit), Festspiel, dann Souper und Tanz. Prolog 11 und Bildertext 12 von Th.F. sen., das Festspiel von Th.F. jun. Auch Martha machte die Feier mit. 13 Die Ereignisse vor 200 Jahren also beschäftigten Fontane in diesen Tagen, zum einen die durch Ludwig XIV. legalisierte Verfolgung der Hugenotten und das unmittelbar darauf von Kurfürst Friedrich Wilhelm erlassene Edikt, durch das mehrere tausend Hugenotten, darunter die Vorfahren von Fontane, nach Berlin und Brandenburg fliehen konnten. Der französischen Kolonie ist Fontane erst kurz vor dem 200-jährigen Jubiläum beigetreten. 14 Gemeinsam mit seinen beiden Kindern lieferte er wichtige Teile fürs Festprogramm. Was hat»Frau Direktor Kummerfeld geb. Lohde« 1885 veranlasst, zu ihrer Jugendbegegnung zu recherchieren? Ist ihr der Name Fontane mit Erscheinen der Kriminalnovelle Unterm Birnbaum 15 in der Zeitschrift Die Gartenlaube 16 begegnet? Vielleicht interessiert sich auch die 16-jährige Tochter Henny 17 , ausgelöst durch den Tod der Großmutter 18 , vermehrt für die Jugendzeit der Mutter. Jedenfalls gab es eine»liebenswürdige Zuschrift« und aufgrund von Fontanes»Briefbeantwortungspromptheit« 19 können wir davon ausgehen, dass diese erst kurz zuvor bei ihm eingegangen ist. Ob ihr Brief neben der Frage, ob er der sei, dem sie 1855 in Berlin begegnet sei, auch eine Äußerung von Frau Kummerfeld über Fontanes Werk enthielt, wissen wir nicht. Fontane geht nicht darauf ein. 20 Seine Antwort konzentriert sich auf die Beantwortung der Frage nach einer früheren Bekanntschaft. Charmant verneint er mit»zu meinem Bedauern – Ihre Vermuthung nicht zutrifft« eine solche, um dann sofort mit seiner Vermutung, dass diese»sehr wahrscheinlich ein 20 Jahre jüngerer Vetter von mir« war, dennoch eine Antwort zu geben. Ausführlich, wunderbar detailverliebt und in maximaler Ausnutzung der vier Seiten des gefalteten Briefbogens
Heft
(2020) 109
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