Heft 
(1989) 48
Seite
81
Einzelbild herunterladen

Ester 1989 = Hans Ester,Aus der Rolle gefallen: der Diener des Herrn bei

Fontane". In: Jörg Thunecke (Hrsg.).es kommt alles ganz anders!"

Fontane-Essays in Honour of Charlotte Jolles. Bern 1989.

Martini 1984 = Fritz Martini,Pfarrer und Pfarrhaus". In: Martin Greiffenhagen (Hrsg.), Das evangelische Pfarrhaus. Eine Kultur- und Sozialgeschichte. Stuttgart 1984. S. 127-149.

Anhang:

Aus: Karl Büchsel, Erinnerungen aus dem Leben eines Landgeistlichen. 3. Aufl. Berlin: Schlawitz 1863, S. 112114.

... Von vielen Pastoren, die mit gottlosen und selbstgerechten Patronen zu thun haben, hört man oft den Wunsch aussprechen, der Patron möchte wirklich ein rechter Patron sein und der Gemeinde besonders ein gutes Beispiel geben im Besuch der Kirche, in der Pflege des Wortes Gottes in seinem Hause, in der Auf­rechterhaltung der Sonntagsfeier u. s. w. Aber die Stellung des Pastors in einer Gemeinde, in der ein solcher Patron lebt, hat auch ihre Schwierigkeiten. In einem Filiale wohnte ein Gutsherr, der in der ganzen Umgegend als fromm und gottes- fürchtig bekannt war; die Missionssache und auch die Bibelgesellschaft hatte an ihm einen eifrigen Theilnehmer. Seine Familie und sein Haus standen in der allgemeinsten Achtung. In der Gemeinde gab es zwar einige wenige Leute, die auch innerlich lebendig waren, aber bei genauer Prüfung zeigte sich, daß die äußerliche Kirchlichkeit der Meisten ohne Kraft und Gottseligkeit war, und doch waren sie sehr mit sich selbst zufrieden und wußten sich etwas damit, daß die Gemeinde als eine besonders gute bekannt sei. Aus Rücksicht auf den Patron, um ihn geneigt zu machen und nebenbei von ihm etwas zu erreichen, besuchten sie die Kirche fleißig, sangen und beteten auch in ihren Häusern; aber eine gründliche und aufrichtige Bekehrung hielten sie nicht für nöthig. Im Ganzen sind in solchen Gemeinden die Leute geneigt, sich ganz an den Patron anzuschließen, besonders wenn er gutmüthig und freigebig ist. So lange nun der Pastor mit dem Herrn und seiner Familie in durchaus gutem Verhältnisse steht, hat er wohl einigen Einfluß, aber auch eben nur durch die Einigkeit mit dem Patron; kann er aber nun nicht in allen Dingen folgen und mitgehen, so verliert er sehr in seiner Wirksamkeit. Gewöhnlich erwartet der Patron oder dessen Gemahlin, daß der Pastor durch seine Seelsorge die Einzelnen, mit denen sie nicht zufrieden sein könen, sehr bald in eine andere Bahn bringen wird, und wenn ihm das nicht gelingt, so findet sich leicht eine Mißstimmung; bald wird der Eifer, bald das Geschick vermißt, und je größer im Uebrigen die Uebereinstimmung ist, desto empfindlicher ist die kleinste Differenz. Eine selbstgerechte, äußerlich kirchliche Gemeinde ist und bleibt am schwersten zu behandeln. Die Predigt des Evange­liums sind die Leute lange gewohnt, weil der Patron schon durch eine Reihe von Jahren bei der Wahl des Lehrers und Pastors sorgfältig verfahren ist, und das etwa vorhandene kleine Häuflein wird sehr leicht träge und matt, wenn es Schutz und Anerkennung findet, weil sich Solche anschließen, die doch nicht mit ganzem Ernst und ganzer Treue in den Heilswegen wandeln. Nach meiner Ueberzeugung kann hier nur ein Mittel helfen, und das liegt in der Zucht. Der Patron, die Kirchenvorsteher und der Pastor müssen sich über die Behandlung der Einzelnen verständigen, fleißig miteinander berathen und beten, und wenn ein Glied in Sünden fällt, die Wege mit demselben gehen, die der Herr selber vorgeschrieben hat bei St. Matthäus am 18ten."

81