Heft 
(2020) 109
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»Landschaftsbilder«,»Fensterbilder« Wegmann 25 sichten eine Waldpartie, Felder mit Bauernhöfen, ein Hohlweg, Hügel­gruppen, Küstenstreifen. In den Vordergrund trat die»Eigenästhetik der Natur« 22 , und damit rückten Landschaftstypen(etwa die römische Campag­na) und morphologische Auffälligkeiten wie der Verlauf der geologischen Formationen, Wolkengruppen, die Struppigkeit des Blattwerks oder die Schraffur eines Kornfelds ins Zentrum der Aufmerksamkeit, Elemente, die von den Malern oft ins Ideale gesteigert wurden, bis hin zum Erhabenen oder Pittoresken. Auf unzähligen Reisen erschlossen sich die Maler im 18. und 19. Jahrhundert eine Vielfalt unterschiedlicher Landschaftstypen als Ideal oder als Seelenraum. Und diese Sehnsuchtsbilder erschlossen neue Käuferschichten, fanden Eingang ins bürgerliche Interieur. Im privaten Raum wollte man nicht unbedingt Staatsaktionen betrachten, lieber häng­te man erträumte oder bereiste Gegenden mit ihren Eigenheiten und Stim­mungen an die eigenen vier Wände. An den Kunstakademien in München, Berlin und Düsseldorf wurde nun die Landschaftsmalerei gleichberechtigt ins Lehrprogramm aufgenommen, Spezialisten wie die Brüder Achenbach erzielten hohe Verkaufszahlen und wirkten als Professoren für Land­schaftsmalerei. Fontane hat die Landschaften der Brüder Achenbach geliebt. Über die Fähigkeiten Oswalds, des Jüngeren der beiden, schrieb er in einem Lexikon­artikel: (...) ein Stück römische Campagna, eine Villa, ein Klostergarten und dar­über der Zauber eines südlichen Himmels ausgebreitet, das ist alles, was er gibt. Die technische Behandlung ist von außerordentlicher Sicherheit und Leichtigkeit, doch sind die Mittelgründe seiner Bilder gemeinhin sorglicher, bestimmter, kräftiger gemalt als der Vordergrund. Es kehrt dies so häufig wieder, daß man eine Absicht, ein künstlerisches Prinzip dahinter vermuten muß. 23 Der»leere Vordergrund« war auch typisch für die damalige Landschaftsfo­tografie, denn die Fotografen mussten das Licht direkt im Rücken haben. Dadurch wurde der Blick stärker in die Bildtiefe hineingezogen, wo sich die dramatischen Lichteffekte abspielen, auf die sich Oswald Achenbach spezi­alisiert hatte. Man weiß auch, dass der Maler für seine Arbeiten Fotografien zu Hilfe nahm. 24 Von seinen Lehrern und den vorbildlichen Niederländern hat er sich den Sinn für Ausschnitt, Licht- und Luftwirkung, Kolorit, ein Mo­tivrepertoire und ein festes Kompositionsgerüst angeeignet: rahmende Sei­tenkulissen, ein belebter Mittelgrund mit Weg, Schlucht oder Höhenzug und starken atmosphärischen Effekten, in der Ferne dann Silhouetten von Baumgruppen oder Gebirgslinien im Dunst. Dieses Schema konnte er belie­big variieren und beleben. Fontanes Landschaftsbild bei Thale, wie er es vor Céciles Augen ausbreitet, folgt genau diesem»künstlerischen Prinzip« 25 . Mit der Gewöhnung eines breiten Publikums an die reine Landschaftsma­lerei prägten sich immer stärker innere Muster für die Betrachtung realer