Heft 
(2020) 109
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»Landschaftsbilder«,»Fensterbilder« Wegmann 29 Fontane spielt gerne mit solchen Wahrnehmungseffekten und macht dabei das Sehen selbst zum Thema. So haucht Lewin von Vitzewitz aus dem zuge­frorenen Eckfenster seines Zimmers»ein Fleckchen, nicht größer wie eine Glaslinse« 58 frei, durch das er»jetzt auf die eben aufgehende Weihnachts­sonne« blickt,»deren rother Ball hinter dem Thurmknopf der Hohen-Vietzer Kirche« steht.»Zwischen ihm und dieser Kirche« erheben sich»die Bäume des hügelansteigenden Parkes, phantastisch bereift, auf einzelnen ein paar Raben.« Die Klarstelle im Fenster wirkt wie eine Linse, alles erscheint gesto­chen scharf. Den selben Effekt einer Seherweiterung durch Verengung be­obachten wir im finsteren Feldsteinturm des Schlosses Arpa, wo Franziska Franz eine Wendeltreppe hochsteigt bis zu einer schmalen Scharte im di­cken Mauerwerk, wo grelles Licht durch die Lücke hereinschießt. Nach kur­zer Zeit der Gewöhnung erkennt sie durch die Öffnung ein Panorama von auserlesener Helligkeit und Schönheit:»Weithin sichtbar flimmerte der See, rechts daneben aber stieg ein hoher und scharf profilirter Felskegel auf, der ›der Bischof‹ hieß, weil man den Stab und die Bischofsmütze deutlich erken­nen zu können glaubte.« 59 Erst die Verdunkelung im Turm und die Einen­gung des Blickfelds erzeugen den Eindruck umwerfender Helligkeit und Klarheit. Das Landschaftsbild dringt durch die winzige Mauerscharte, so wie ein Sehstrahl durch die Pupille und die 1,5 mm schmale Papilla nervi optici in die Tiefe des Schädels zum Hirn gelangt. Im farblosen Ausschnitt Die Rahmen von Türen, Fenstern, Tor- oder Brückenbogen verwandeln die Realität in Bildfelder. Pieter de Hooch(1629– nach 1684): Der Hinterhof in einem Delfter Haus, 1658 (Ausschnitt).(Abb. 3) C. W. Eckersberg(1783–1853): Ein Blick durch drei nord-westliche Bögen des Kolosseums, 1815.(Abb. 4)