Heft 
(2020) 109
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40 Fontane Blätter 109 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Claude Lorrain (160 0 –1682) (zugeschr.): Landschaft mit Sonnenuntergang, 1. Hälfte des 17. Jhs.(Abb. 14) Auf einer Schlittenfahrt zum Kloster Lehnin wirkt die Landschaft mit ihren Abendtönen wie ein Gemälde von Claude Lorrain, das einer der Ausflügler einmal in Kopenhagen gesehen hat. Ausflügler, entsinnt sich»eines dieselben Abendtöne wiedergebenden Clau­de-Lorrain«, den er einmal in Kopenhagen gesehen habe. Claude Lorrain (1600–1682), der Meister verzauberter Landschaften, prägte über Jahrhun­derte die Landschaftsvorstellung so tief, dass man nach seinem Vorbild Gär­ten gestaltete und ein optisches Gerät erfand, die Claude-Gläser: getönte und gerahmte Spiegel, in denen man die Landschaft in seinem Rücken so sehen konnte, wie sie Lorrain gemalt hätte. 92 Ganz ähnlich geht es den Aus­flüglern zum Kloster Lehnin. Sie betrachten das Wald- und Landschaftsbild im Abendlicht wie durch ein Claude-Glas als ein Kunstprodukt. Vor allem im Verkehr der Menschen untereinander bieten sich Bildwerke als Bezug und Vergleich an. So ähnelt die rätselhafte Cécile von St. Arnaud in den Augen des schottischen Zivilingenieurs Robert von Gordon einem Porträt seiner Landsmännin Maria Stuart, das er einst»in Oxford oder in Hampton-Court oder in Edinburgh-Castle« gesehen hat, so genau weiß er das auch nicht mehr. Aber er entsinnt sich dabei an»etwas Katholisches, etwas Gluth und Frömmigkeit und etwas Schuldbewußtsein« 93 . Cécile wird für ihn zum lebenden Nachbild des Königinporträts, an diesem Muster ent­schlüsselt er, was ihn an Cécile so irritiert: die aufreizende Mischung von Verführungsgesten und Unberührbarkeit wie beim Stuartbild. In der Tradition der»tableaux vivants« wurden Figuren oder Figuren­gruppen bekannter Bildwerke von Darstellern nachgeahmt, um Körperbil­der, Normen oder einen bestimmten Habitus wiederzugeben. Solchen leben­den Bildern gleichen Fontanes Figuren vor allem, wenn sie mit Kunstwerken