Heft 
(2020) 109
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»Landschaftsbilder«,»Fensterbilder« Wegmann 45 ›Rubens‹ ist übrigens nicht schlecht geraten, auch wenn Holk dies nicht weiß (und es auch Fontane wohl nicht wusste), denn es existiert tatsächlich ein Rubensches Psyche-Ölgemälde. Allerdings kann von»statuarisch« keine Rede sein, wie auch sonst nicht bei Rubens. Statuarisch... rotblond... wie von Rubens... aber nicht so grob... Rubens noch übertroffen... Das kann Holks Frau Christine nicht gefallen, trotz Holks Be­mühen um Beiläufigkeit. Sie reagiert verstimmt auf seine Kunstauslassun­gen, was wiederum den Gatten verstimmt und das latente Zerwürfnis ver­tieft, das die beiden schon vor Holks Abreise nach Kopenhagen geplagt hat. Brigitte Hansen als hingerissene Psyche an Amors Bett auf der einen Seite und auf der anderen Gattin Christine als Schmerzensmutter oder heilige Elisabeth(vgl. Abb. 17, 18) das sind unverträgliche Bildwelten, und so kommt es auch wegen der Macht der Bilder zur Trennung der Ehegatten. Für den Autor Fontane und seine Figuren ist die Verwandlung der Wirk­lichkeit in Bilder ein elementarer Vorgang. Fontanes Geschöpfe staunen im­mer wieder über die morphologische Schatzkammer der Natur, die sich in unzähligen Formen selbst als etwas Bildhaftes schafft. Andere entwickeln einen kritischen Sinn für das Gemachte und Formelhafte der menschlichen Verhältnisse, sie erfahren das gesellschaftliche Leben als Kulisse, die nach bestimmten Bildgesetzen verfertigt ist. Die Köpfe vieler Figuren sind voll von Bildern Vorstellungen, Imaginationen und zahllosen Erinnerungen an Gemälde, Fotos und Statuen, die sie der Wirklichkeit unterlegen. Der Autor hat diese Bildassoziationen auch als Mittel eingesetzt, um den Kunstanspruch seines Werks zur Geltung zu bringen. Wie oft musste er sich über Leser ärgern, die alles für bare Münze nahmen und stolz darauf waren, jede Ecke, die er in seinen Romanen nannte, zu kennen. Dass der märkische Geschichtsverein in einem Exkursionsprogramm den Besuch des Schlosses Wuthenow ankündigte, erschien ihm absurd:»Schloss Wuthenow existiert überhaupt nicht, hat überhaupt nie existiert. Das hindert aber die Leute nicht zu versichern: ›ich hätte ein besondres Talent für das Gegenständli­che‹, während doch alles, bis auf den letzten Strohhalm, von mir erfunden ist, nur gerade das nicht, was die Welt als Erfindung nimmt: die Geschichte selbst.« 109 Selbst das, was existiert, erfindet Fontane im Schreibprozess neu. Auch diesen Kunstanspruch und die Künstlichkeit des Erzählten wollte der Autor geltend machen, indem er den Bild- und Kunstcharakter von Dingen, Figuren und Landschaften hervorhob.