Gartengespräche Sill 55 Anfang macht:»›Da wir denn ungestört hier allein sind‹, sagte Eduard, ›und ganz ruhigen, heiteren Sinnes, so muß ich dir gestehen, daß ich schon einige Zeit etwas auf dem Herzen habe, was ich dir vertrauen muß und möchte[...].« 9 Charlotte,»freundlich entgegenkommend« 10 , fragt, worum es gehe. Und Eduard verleiht wortreich seinem Wunsch Ausdruck, den gemeinsamen Freund, den Hauptmann, aufs Schloss holen zu wollen, um ihn aus einer recht betrüblichen Lage zu befreien. Dazu aufgefordert, nun auch »recht frei« 11 zu sprechen, formuliert Charlotte ihre Bedenken und bittet um etwas Aufschub vor einer Entscheidung. Am nächsten Tag ist es Charlotte, die den Auftakt macht:»›Wenigstens, mein Lieber‹, fuhr sie fort, ›sollst du gewahr werden, daß deine Wünsche, die freundliche Lebhaftigkeit, womit du sie ausdrückst, mich nicht ungerührt, mich nicht unbewegt lassen. Sie nötigen mich zu einem Geständnis. Ich habe dir bisher auch etwas verborgen. Ich befinde mich in einer ähnlichen Lage wie du[...].« 12 Und nun verleiht Charlotte wortreich ihrem Wunsch Ausdruck, das geliebte Pflegekind Ottilie aufs Schloss holen zu wollen, um sie aus einer recht betrüblichen Lage zu befreien. Und Chartlotte schließt mit den Worten:»Du siehst, wir tragen beiderseits dieselben Sorgen in einem treuen, freundschaftlichen Herzen.« 13 Die vollständige Offenlegung der jeweiligen Beweggründe, das ruhige Zuhören, der Verzicht auf jeden raschen Einwurf, die ruhige Erörterung des Für und Wider ohne den leisesten Vorwurf: das gestaltete Gespräch zwischen Charlotte und Eduard wird zum Spiegel einer Ausgangssituation, in der alle Kräfte ausbalanciert zu sein scheinen, in der eheliche Harmonie das alltägliche Miteinander bestimmt. Schließlich ist es Eduard überlassen, die einzig mögliche Schlussfolgerung zu ziehen: »Nimm Ottilien, laß mir den Hauptmann, und in Gottes Namen sei der Versuch gemacht!« 14 Das Auftaktgespräch in Effi Briest führen nicht die Eheleute, sondern Luise von Briest mit ihrer siebzehnjährigen Tochter Effi. Das aber ist längst nicht der einzige Unterschied. Fontane übernimmt die Idee des so folgenreichen Eingangsdialogs, um sie in ihr krasses Gegenteil zu verkehren. Denn was dort zwischen Mutter und Tochter zur Sprache kommt, hat nichts zu tun mit einem Gespräch auf Augenhöhe. Das Ziel einer glänzenden Partie für die – noch ahnungslose – Tochter fest im Blick, ist es hier Luise von Briest, die die Regiefäden in der Hand hält. Was da gesprächsweise vorgeführt wird, ist eher ein abgekartetes Spiel. Wohl wissend, dass es ohne Effis Zustimmung nicht gehen wird, ertastet Luise gleich zu Beginn die Gefühlsund Stimmungslage ihrer Tochter. Auf Effis scherzhaft gemeinten Vorwurf, »Warum kriege ich keine Staatskleider? Warum machst du keine Dame aus mir?«, antwortet Luise mit einer Gegenfrage:»Möchtest du‘s?« Würde Effi dies bejahen, könnte Luise ihre Tochter an ihre eigenen Worte erinnern, wenn Effi zögern sollte, den Antrag Geert von Innstettens anzunehmen. Doch Effi durchkreuzt vorerst die mütterliche Strategie und antwortet:
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(2020) 109
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