Heft 
(2020) 109
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Der»jüdische Fontane« Muhs 79 Der»jüdische Fontane«. Anmerkungen zu Georg Hermann(1871–1943) (mit einem unbekannten Brief Fontanes) Rudolf Muhs Pauline Paucker zum 90. Geburtstag »Mir waren und sind etwa zwanzig Personen bekannt, die alle von sich be­haupten, den Be­griff vom ›jüdischen Fontane‹ erfunden zu haben, und auch ich gehöre zu ihnen.« So er­klär­t­ e Arnold Paucker(1921–2016) zum Auf­takt einer Ta­gung über Georg Her­mann, die 2001 im Londoner Institute of Ger­manic Studies stattfand. 1 Der Erfolgsautor von Jettchen Ge­berts Ge­schichte und an­de­rer Berliner Ge­sellschafts­ro­ma­ne war, nach­dem er 1933 Zuflucht im hol­ländischen Exil ge­funden hatte, während der deut­schen Be­setzung nach Ausch­witz ver­schleppt und dort er­mordet worden. Mit Georg Hermann und Theodor Fontane hat sich Ar­nold Paucker wie­derholt ausein­andergesetzt auf seinem Lebensweg, der ihn von der Berliner»Momm­sen­straße to De­von­s­hire Street« in London führte 2 , wo er jahrzehntelang als Direktor des Leo-Baeck-In­stituts amtiert und, unweit von Fontanes zeitwei­liger Adresse in Cam­den Town, seinen(mit erheblicher Verspätung angetre­tenen) Ruhestand verbracht hat. In­so­fern wären die nachfol­gen­den Anmer­kungen zu Georg Hermann, seiner Be­zie­hung zu Theo­dor Fon­ta­ne und zum Epi­theton des»jüdischen Fon­tane« für ihn vielleicht we­ni­ger aufschlußreich ge­wesen als für man­chen ande­ren Leser die­ser Blätter. Im Gegensatz zur umfassenden und anhaltenden Fontane-Renaissance seit den 1950er Jah­ren ist nämlich eine Wiederbelebung des Interesses an Georg Hermann nur in höchst be­schei­denem Rahmen erfolgt. Der durch das Dritte Reich bewirkte Re­zep­tions­bruch scheint ir­rever­sibel zu sein. Im deutsch­sprachigen Lese­pu­bli­kum, selbst in Berlin, sind sei­ne Werke kaum noch präsent, und auch akademische Studien haben sich seiner lange Zeit recht selten ange­nom­men. 3 Einzelne Romane Georg Hermanns sind zwar von Zeit zu Zeit neu auf­gelegt wor­den, na­ment­lich zu DDR-Zeiten durch den