84 Fontane Blätter 109 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte wirklich so wie ich Ihnen sagte. Ihr ganz ergebenster Th. Fontane. Den Baron H. von H. von vorgestern hab ich noch immer nicht ganz verwunden.« 14 Eine gute Woche später, am 21. März 1860, wurde Fontanes Tochter Mete geboren, was die Rücksichtnahme auf Emilies Zustand erklärt. Von welchem Buch hier die Rede ist, und wer der Baron H. v. H. war, hat sich nicht ermittelnlassen. Bei dem zweiten im Nachlaß von Georg Hermann als Fontane-Autograph ausgewiesenen Stück handelt es sich um einige auf Ende April 1847 zu datierende Zeilen an Emilie Rouanet-Kummer, die Verlobte des Dichters, mit dem Text des Gedichts Der alte Ziethen. 15 Einem Besitzerstempel zufolge stammt das Blatt»Aus der Sammlung Paul H. Emden« 16 , der davon bereits 1928 auch ein Faksimile für eine bibliophile Vereinigung hatte anfertigen lassen. Im Gefolge des New Yorker Börsenk rachs sollte der Privatbankier 1929 bankrott gehen, woraufhin seine Fontane-Sammlung zerstreut wurde. 17 Emden war 1927 auch Gründungsmitglied des Berliner Fontane-Abends gewesen, einer Gesellschaft von Literaturliebhabern, die sich der Pflege des Dichtererbes und allgemein des schönen Buches widmete. Zu Georg Hermanns sechzigstem Geburtstag richteten die Mitglieder dem Jubilar 1931 eine großzügige Geburtstagsfeier aus und trugen ihm zug leich die Ehrenmitgliedschaft an. Seine Gegengabe bestand in einem kleinem Vortrag»Pro Berlin«, der anschließend in limitierter Auflage als Privatdruck verbreitet wurde.« 18 Mit dem Aufstieg des Dritten Reiches sollte der Fontane-Abend nur zwei Jahre später schon wieder untergehen, denn Juden oder jüdischer Abstammung waren nicht nur drei der vier Initiatoren, sondern auch mehr als die Hälfte der insgesamt etwa 60 Mitglieder, die der Vereinigung während der sechs Jahre ihres Bestehens angehört hatten. 19 Für die schriftstellerische Entwicklung von größerer Bedeutung als derlei indirekte Verbindungen war natürlich die schöpferische Auseinandersetzung mit dem Werk eines etablierten älteren Kollegen. Zwar hat Georg Hermann später behauptet, nur wenig an Literatur gekannt zu haben, bevor er selbst zu schreiben begonnen habe 20 , wie denn überhaupt, einem von ihm gern zitierten Wort Ralph Waldo Emersons zu Folge, die 50 bedeutendsten Autoren der Welt die Werke der jeweils 49 anderen nicht gelesen hätten. 21 Tatsächlich hat er aber Fontane von Jugend an geschätzt, sich bewusst in seine Nachfolge gestellt und zeitlebens zur Selbstdeutung auf ihn Bezug genommen. Einem autobiographischen Rückblick zum Fünfzigsten stellte er 1921 ein Zitat aus Fontanes Gedicht Summa summarum voran, das selbstkritische Fazit:»Lirum Larum Löffelstiel, – Alles in allem: es war nicht viel«. 22 Der melancholische Zug, der ihm seit jeher zu eigen war, ließ Georg Hermann auch schon mit 57 Jahren die Mahnung aufgreifen, die sein großes Vorbild mehr Grund zu beherzigen gehabt hatte, als er 1898, den nahen Tod vor Augen,»zwei dicke Bände... auf einmal« herausgab:»Was du tun willst,
Heft
(2020) 109
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