Heft 
(2020) 109
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Der»jüdische Fontane« Muhs 93 Drit­tens sei er gegen den Zionismus, weil ich einen Ju­denstaat als ein Unglück für die Juden be­trachte, und als ein noch größeres Unglück für die gesamte Kulturwelt. Denn al­len Vor­teil, den diese von den Juden bisher hatte(und es gibt kein Gebiet, wo sie sie missen konnte in den letzten hundert Jahren) wird sie bei einem gro­ßen Judenstaat aufgeben müssen; und die Juden wer­den, staat­lich ge­bun­den, genau so be­schränkt werden wie die andern Esel. 61 Was von letz­terer Pro­gnose zu halten ist, sei dahingestellt. Jedenfalls er­klärt sich so, wie Georg Her­mann im Glauben an eine universale Mis­sion des Ju­den­tums, die im Falle seiner na­tionalen Verengung gefährdet werde, zu dem frap­pie­ren­den Schluß kommen konn­te:»Ich begrüße für die Ju­den der Welt den Zu­sam­men­bruch des Zio­nis­mus mit al­lem Ent­husias­mus, dessen ich noch fähig bin und mit mir ins­geheim Tau­sende der besten Juden, auch wenn sie es nicht sagen, genauso wie ich es ja auch nicht sage!!« 62 Außer in einem Fa­mi­lienbrief eben. Ob es nun die von Gershom Scho­lem etwas vorzeitig dia­gnostizierte Al­ters­müdigkeit war oder aber Fon­tanescher Fatalismus: Für seine Person scheint sich Georg Her­mann jedenfalls mit dem abge­fun­den zu haben, was er im Hinblick auf seine Romangestalten wiederholt in die Formel gefaßt hatte: Es kam wie es kommen mußte. 63 Bevor es aber so kam, verriet er sei­ner Tochter, die schrift­stel­le­ri­sche Ambitionen zu erkennen gegeben hatte, noch sein Erfolgsre­zept, das, ganz abge­se­hen von dem Schluß­satz, eine Viel­zahl Fon­ta­nescher Zutaten ent­hielt: Das Wich­tig­ste ist nicht was du schreibst, sondern daß du schreibst. Das heißt, dein per­sön­lichstes Ich, das einmalig auf der Welt ist und, wenn du re­dest und erzählst, ja so nett seinen Ausdruck findet. Das heißt, das ­Beste an guten Büchern ist ja doch das per­sön­l­iche Ich die Ge­samt­fär­bung des Wesens des Schrei­benden das durch die Ge­schichten hin­durch leuchtet. Sei unver­ziert und aufrichtig und küm­mere dich einen Dreck um den so­genannten Leser. Man schreibt für sich, zur Selbst­ent­lastung und um über Teile sei­nes Da­seins hin­weg­zu­k­ om­men, an denen man sonst leidet, wie an eingeklemm­ten Affekten.... Sei einfach, aber nicht plump und zu simpel, und hüte dich vor allen Ver­stie­gen­heiten. Schreibe für ge­bil­dete Men­schen und denke da­ran: Gefühl ist alles. Bleibe jedoch durchaus unsen­ti­mental(ein häufiger Fehler der Frauen­lite­ra­tur!). Du mußt ganz ruhig blei­ben, die anderen müssen die Tränen in die Keh­le kriegen. Habe den Mut auch in Wut zu­zu­hämmern. Bei be­wegter Hand­lung kurze Sätze; bei Be­schrei­bung, Ironie und Hu­mor: lan­ge, ja sogar vielleicht etwas ver­schnörkelte.... So: und nun schreib in Gottes Namen los! Aber denk an keine Kritik; du sollst für dich und nicht für andere schrei­ben. Ich habe mich nie um den Leser gekümmert und er ist zu mir ge­kom­men. Ge­druckt-oder-nicht-ge­druckt-werden ist eine