Heft 
(2020) 109
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Hankels Ablage  Kleine 135 Landstraße in rascher Folge komfortable Landhäuser, eine ganze Kolonie von Vorstadtvillen. 13 Zur Zeit von Fontanes»Arbeitsurlaub« hier, im Mai 1884, war die Wand­lung der»Ablage« zum neuzeitlichen Villenvorort in vollem Gange. 1869 hatte der Berliner Kanzleirat und Halter eines Segelbootes Heidenreich von Hankel ein nördlich benachbartes Grundstück erworben und ein Landhaus darauf errichten lassen. Das überschrieb er seiner, mit dem aus Thüringen zugewanderten Restaurateur Rudolph Käppel verehelichten Adoptivtoch­ter J­­ ohanna, und die Käppels richteten darin eine florierende Ausflugsgast­stätte ein. Die zog an den Wochenenden schon bald Scharen von Gästen an, zumeist Ausflügler und Wassersportler aus Berlin. Der im selben Jahr ge­gründete Zeuthener Seglerverein kürte das Restaurant zu seinem Vereinslo­kal. Was Fontane den»Wirt« im Roman über den Ausflugsbetrieb im Som­mer erzählen lässt, wenn Spreedampfer anlegten und hunderte Gäste bis in die Nacht hinein zu beköstigen, zu unterhalten waren es gehörte zu den »Intimitäten«, die Käppel ihm anvertraute. Und es verrät uns, wie ontane unter der Hand die Primitivität und Gemütlichkeit des einstigen Krugs mit der Modernität des neuen Ausflugslokals verflocht und etwas poetisch Neu­es daraus komponierte: das»Etablissement« Hankels Ablage, das es so gar nicht gegeben hat. Unwillkürlich fragt man sich, wie Fontane der ja nicht hauptsächlich zu seinem Vergnügen, sondern zu konzentrierter Arbeit hierher gekommen war mit den veränderten Umständen klarkam; denn dass er sich im großen und ganzen recht gut mit ihnen arrangierte, daran lassen seine Berichte von hier keinen Zweifel. Nehmen wir an: eine kluge, zeitbedingte Regelung half ihm dabei. In einem Brief an Emilie, geschrieben am 25. Mai 1884, ge­gen Ende seines Aufenthaltes hier, lässt er sie in einem Halbsatz anklingen: Das»Lokal«, heißt es darin, also Käppels Restaurant, beginne sich nun mehr und mehr zu füllen, und» …auch die Filla, drin ich wohne, ist von der nächs­ten Woche an ganz besetzt.« 14 »Lokal« und»Villa« waren demnach verschie­dene Gebäude. In Käppels»Lokal« hat er vermutlich nur gespeist und ge­plaudert. Zum Schreiben und Schlafen dürfte er sich in ein Logis in der benachbarten, 1881 errichteten»Villa Hankel« zurückgezogen haben. Leider fanden sich keine schriftlichen Belege dafür. Bedenkt man indessen, dass August Hankel in seinem, der Käppelschen Gaststätte benachbarten Land­haus eine Zeit lang Zimmer vermietete, so dürfte es kaum zu bezweifeln sein. Dies bestätigte mir auch August Hankels Urenkelin Gisela Tosch, die sich von den wenigen noch lebenden Hankelnachfahren in der Familien­chronik bestens auskennt. Es gab wohl unter der Hand eine Absprache zwi­schen Hankel und Käppel: Der Gastwirt beköstigte die Logiergäste des alten Fischers und leitete ihm dafür Sommergäste mit gehobenen Ansprüchen zu. Ein solcher war Fontane durchaus. Und nur auf diese Weise fand er hier die Ungestörtheit, die er zu konzentriertem Schreiben brauchte. Zugleich