Heft 
(2020) 109
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»Die Wirklichkeiten fangen an« Kruse 155 ­beschreiben die»Familienzusammenführung als Posse«; dann das»Treffen bei Hiller«; klären»Namen und Namenspiele des Romans« und gehen end­lich auf»Fontane als Wanderer und Flaneur« ein. Also für viele Interessen die intensivste Spurensuche. Daran schließen sich in Teil II wie immer ins Kleinste gegliederte Beobachtungen zur»Erzählweise Fontanes« an sowie in Teil III fünf Überlegungen unter der Überschrift»Perlen«. Mit Teil IV, als »Phantasmagorien« charakterisiert, eröffnen sich dann die sechs überwie­gend literarischen Notate; nicht umsonst lautet der erst zu Beginn dieser Abteilung auf S. 335 verwendete, geradezu private Untertitel:»oder, in nie­derrheinischer Mundart:(Een beetke ferrökde) Fertelses«. Teil V, der Ab­schluss des Bandes, enthält die»Szenerien« mit Bezügen zu Irrungen, Wir­rungen namens»Clara Poggendorf«, ein besonders intensiv wie anrührendes »Schauspiel, hier als Hörspielfassung« über die Begegnung der sich als an­gebliche Romanfiguren erkennenden Personen mit dem Autor und dessen Frau wie Tochter, und das Drehbuch»Schlangenbad«. Was trotz aller bisher vorhandenen feinsinnigen Interpretationen in der Fontane-Literatur nicht immer derart frappant zutage trat oder betont wur­de, wird penibel betrachtet und einsichtig angedeutet. Die Veränderung der Öffentlichkeit, ihr Wandel von einer durch den Adel weniger bestimmten Gesellschaft, die zögernd, aber spürbar sich autarker hin zu moderneren Formen in rasanten Wirtschaftsprozessen mitsamt zukunftsweisenden de­mokratischen Bewegungen entwickelt, wird deutlich durch beharrliches ­Benennen allerhand sich dokumentierender Ausprägungen oder Verwer­fungen des bisher herrschenden Systems. Dabei werden auch die sich ver­schiebenden moralischen Maßstäbe und das obsolet gewordene Standes­korsett aufgrund einleuchtender Hinweise auf so viele Anspielungen und Parallelen durch eine quasi vergleichende Lektüre-Methode in Richtung Märchen und durch den Blick auf in mehrfachem Sinne klassische Vorbilder stets beachtet. Durch die von Fontane gewahrte Dezenz und Vorsicht im ei­genen Anspielungs- und Verweisungsreichtum mit all den darin enthalte­nen Verschiebungen im gesamten gesellschaftlichen Kontext sind nicht nur die als vom Schriftsteller aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts prob­lematisch empfundenen jüdischen Emanzipations- oder Assimilationsvor­gänge präsent, sondern genauso die verdeckten und versteckten Verhältnis­se der bei beiden Geschlechtern auch damals vorhandenen Formen einer einerseits strikt inkriminierten, andererseits wahrgenommenen Homoero­tik, deren Bezeichnung und Darstellung, wie man ergänzen möchte, noch in Prousts eine knappe Generation späteren Romanwerk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit verschleiert wurde, obgleich sie, wenn auch aus anderen biographischen Voraussetzungen als bei Fontane, immer wieder eine erheb­liche Rolle spielt. Dass neben den Märchen von Andersen und den Brüdern Grimm Gestal­ten oder Texte von Lessing, Goethe, Schiller und Heine für Fontane gegen-