Heft 
(2020) 110
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Fontanes Fronde gegen Manteuffel  Muhs 51 Alterserinnerung ausnimmt, waren sie nämlich keineswegs. Eine genauere Analyse zeigt vielmehr in aller Deutlichkeit, dass ihr Einspruch speziell ge­gen zwei Außenseiter gerichtet war, die für Führungspositionen auf dem Gebiet der Regierungspresse im Gespräch waren, nachdem der bisherige Leiter des Literarischen Kabinetts aus Opposition gegen die Kurswende sein Amt aufgegeben hatte. Schon im Frühjahr 1850, also noch vor seinem Eintritt in das Presseamt, war dem Dichter aufgefallen, dass es unter Manteuffels Mitarbeitern Frak­tionen gab. Merckel sei wenigstens»ein anständiger Mensch«, kommentier­te er,»was man von Rhyno Quehl u. solchen Burschen nicht sagen« könne. 20 Unter der Direktion des ersteren(»ein Alt-Liberaler und Anhänger der Ra­dowitzischen Politik«) durfte Fontane überdies davon ausgehen, für eine aktive Deutschlandpolitik eintreten zu können, sollte er denn eingestellt werden. Merckels Gegenspieler Quehl unterstellte der Dichter dagegen, nur Ambitionen und keine Prinzipien zu haben. Dabei war dessen Strategie derjenigen Fontanes gar nicht so unähnlich. Auch Quehl suchte nämlich dringend eine feste Anstellung. Der Gele­genheitsdichter aus Thüringen hatte nach unabgeschlossenem Theologie­und Jurastudium sein Brot zeitweilig als fahrender Unterhaltungskünstler verdient 21 , um sich, nach Erwerb(in wortwörtlichem Sinne) eines philoso­phischen Doktortitels, auf den Journalismus zu werfen. Von seinem opposi­tionellen Engagement im vormärzlichen Ostpreußen war er, mittlerweile Ende Zwanzig und Familienvater, noch im Laufe des Revolutionsjahres ab­gerückt und hatte sich Manteuffel angedient, der den ehrgeizigen Mann mit der gewandten Feder im Frühjahr 1850 nach Erfurt schickte, um während der Parlamentsberatungen über den Entwurf einer Unionsverfassung die Presse im Sinne seines Herrn zu beeinflussen. Seine diesbezüglichen Ver­dienste lohnte ihm der Minister mit großzügiger Patronage, was Quehl wie­derum mit lebenslanger Loyalität vergalt. Im Literarischen Kabinett, wo Quehl unterzukommen hoffte, war je­doch bei seiner Rückkehr aus Erfurt gerade keine Stelle zu besetzen, und den ersten freiwerdenden Posten wollte Merckel Fontane zuschanzen, sei­nem Mitstreiter aus dem Dichterverein Tunnel über der Spree. Für Manteuf­fels Intimus blieb daher einstweilen nur Mitarbeit auf Honorarbasis. Wie wenig willkommen er in der Pressebehörde war, zeigt im Juni 1850 das Bemühen Merckels, die Übersiedlung des noch in Danzig gemeldeten Quehl nach Berlin zu hintertreiben. Auf eine Anfrage seitens des Polizeipräsiden­ten Hinckeldey, ob»der Genannte zur Zeit bei dem hiesigen litterarischen Kabinet eine Anstellung inne habe, welche seine beständige Gegenwart am hiesigen Orte erfordere«, beeilte sich dessen Direktor zu betonen,»daß dies nicht der Fall ist«. 22 Die Meldebehörde versäumte es jedoch, diesen Wink mit dem Zaunpfahl aufzugreifen, so dass Quehl gleichwohl die Erlaubnis zur Niederlassung in der preußischen Hauptstadt erteilt wurde.