Heft 
(2020) 110
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52 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Endgültig unentbehrlich bei seinem Protektor machte er sich dann, als der Streit um die preußische Deutschlandpolitik im Herbst seinem Höhepunkt zutrieb. Hatte zum Beispiel Fontane in seinem Artikel Manteuffels Absetz­bewegung nur mit Vorbehalten und Einschränkungen befürwortet, so übte Quehl laut und unverhohlen Kritik an der Unionspolitik, obwohl sie offiziell nach wie vor Regierungsprogramm war. Derlei Umtriebe»auf Kosten der Wahrheit und auf Kosten des Einflusses, den der jetzige Herr Chef und auch ich als dessen Stellvertreter ordnungsmäßig auf die Mitarbeiter ausüben«, seien unerträglich, beschwerte sich Merckels Adlatus von Meysenbug am 11. September. Da ihm aber bewußt war, dass der als Dienstvorgesetzter angesprochene Innenminister persönlich hinter dem Quertreiber stand, fuhr er fort:»Nachdem sich Dr. Quehl bei Ew. Excellenz um die Stelle als Chef des literarischen Kabinetts beworben« habe, solle Manteuffel ihm ent­weder die Leitung übertragen und damit seine Tätigkeit legitimieren oder aber ihn ganz aus dem Pressewesen heraushalten. Für ersteren Fall kün­digte Meysenbug zugleich seinen eigenen Rücktritt an. 23 Manteuffel ließ sich freilich nicht beirren und machte Quehl wenig spä­ter zu seinem persönlichen Referenten für Pressefragen, d.h. er richtete sich eine Art literarisches Nebenkabinett außerhalb der Ministerialbürokratie ein, was tatsächlich Meysenbugs Abgang zur Folge hatte. Das Abrücken von der Unionspolitik veranlaßte Anfang November auch Merckel, sein Amt nie­derzulegen und sich in den Justizdienst zurückzuziehen. An seiner Opposi­tion hielt er jedoch fest und schloß sich, im April 1851 in die Erste Kammer gewählt, der reformkonservativen, konstitutionell und westmächtlich aus­gerichteten Gruppierung Bethmann Hollweg an, deren Organ, das Preußi­sche Wochenblatt, wesentlich von ihm inspiriert war. 24 Auch Fontane ver­suchte Merckel für seine Zwecke einzuspannen. Als der Dichter im Sommer 1852 nach England ging, vermittelte er ihn an den preußische Gesandten Bunsen in London, der als persönlicher Freund des Königs relativ unabhän­gig von der Regierung war und der Wochenblattpartei nahestand. Die jour­nalistische Verteidigung des Diplomaten gegen Angriffe in der Kreuzzei­tung zu übernehmen, wie seinem Eindruck nach von ihm erwartet wurde, zögerte Fontane jedoch, denn:»Wenn Bunsen B.H.ianer ist, so ist er notwen­dig ein Gegner Manteuffels, sowie dieser ein Gegner von ihm.« 25 Politisch gelte der Wochenblattpartei durchaus seine Sympathie, so hieß es gleich­lautend in Briefen an Lepel und an seine Frau Emilie,»von Manteuffel aber leben und gegen ihn schreiben« wolle er nicht. 26 Im September 1858 Fried­rich Wilhelm IV. war seit Monaten krankheitsbedingt herrschaftsunfähig zeigte sich Fontane dann allerdings ohne weiteres bereit, einen anonymen Artikel Merckels in die Londoner Times zu lancieren. Dringend angemahnt wurde darin die Übernahme der Regentschaft durch den Prinzen von Preu­ßen, wovon sich die Wochenblattpartei den Sturz Manteuffels und eine An­knüpfung an die Zeit vor Olmütz versprach. 27 Die Ironie ist kaum zu über-