58 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Der schüchterne Gegenvorstoß von Fontane und Konsorten hatte also keinerlei Wirkung gezeitigt, wie der kuriose Dienstweg ihrer Eingabe offenbart. Randvermerken zufolge war sie»Von Sr. Exz. an das Min. des Innern ressortgemäß abgegeben« worden, das Mitte Dezember im Prinzip noch für Presseangelegenheiten zuständig, durch den Aufstieg Manteuffels aber verwaist war. Von seinem Nachfolger als Innenminister, der die entsprechende Kompetenz nun nicht mehr besaß, wurden die Bittsteller am 8. Januar 1851 lediglich beschieden, dass ihr Anliegen»durch das anderweit getroffene Arrangement erledigt« sei. 43 Zu diesem Zeitpunkt waren einige der Unterzeichner längst»zu Kreuze gekrochen«, wie Fontane rückblickend formulieren sollte. Metzel, Metzler und Roerdansz hatten nämlich ohne weiteres akzeptiert, als ihnen nach Weihnachten Beschäftigung bei der Deutschen Reform und der Constitutionellen Korrespondenz angeboten wurde, einem gouvernementalen Artikeldienst für Provinzzeitungen. Per Verfügung vom 31. Dezember erhielten»die drei Mitglieder des literarischen Kabinetts, welche dem neuen Institute überwiesen sind«, ihr Januargehalt angewiesen. 44 Nur Metzel, Metzler und Roerdansz weiter zu beschäftigen, hatte Quehl auch schon in seinem Reorganisationsplan vom 6. Dezember vorgesehen, also eine ganze Woche bevor sich das Mitarbeiterquintett, von den umlaufenden Gerüchten alarmiert, zu seiner»ganz gehorsamsten Vorstellung« aufraffen sollte. 45 Für Fontanes Vermutung, wegen seiner Beteiligung daran gezielt bestraft worden zu sein, wie sie explizit im»Wangenheimkapitel« und unausgesprochen hinter den Briefen an Witte und Lepel steht, fehlt also in den amtlichen Unterlagen jeglicher Anhaltspunkt. Ob es andere Gründe für seine Annahme gab, läßt sich nicht mehr klären. Ein schlechtes Gewissen hatte er jedenfalls. Sich gleich um eine Wiedereinstellung zu bemühen, widerstrebte ihm, da»mit den Personen auch die Dinge, die in der Presse zu vertreten waren, gewechselt hatten«, so seine diplomatische Umschreibung des Sachverhalts zwei Jahre später. 46 Trotzdem wäre es verfehlt, Fontanes Frondieren gegen Manteuffel und seine Mannen für eine Kampfansage zu halten, auch wenn er mitunter von der Unausweichlichkeit einer neuen Revolution schwadronierte. 47 Sich den Sturz von Personen und Zuständen auszumalen, die man für die eigene Misere verantwortlich macht, ist eine harmlose Phantasie, der sich schon so mancher Arbeitslose hingegeben hat. Was letztlich zählt, sind aber Taten und nicht Worte, und Fontane ging weder in den Untergrund noch ins Exil. Statt dessen tat er, pragmatisch handelnd und nicht politisch, auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse das Mögliche, um sich und seine Familie über Wasser zu halten. Er verhandelte mit dem reorganisierten Presseamt über eine Entschädigung wegen nicht erfolgter Kündigung, petitionierte den König um ein Stipendium und antichambrierte gleichzeitig bei allen möglichen Stellen, ob sich nicht irgendwo sonst im Staatsdienst ein Posten für ihn fände. Letzten Endes war der Dichter in jeder Hinsicht erfolg-
Heft
(2020) 110
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