Heft 
(2020) 110
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Fontanes Fronde gegen Manteuffel  Muhs 59 reich, wenn auch nicht sofort und nicht in vollem Umfang. Der Schlüssel zu diesem Erfolg aber ist ausgerechnet bei Quehl zu suchen. Dass aus dem Literarischen Kabinett gegen ihn intrigiert worden war, kann dem Leiter der nunmehrigen Centralstelle kaum verborgen geblieben sein, auch wenn er die»ganz gehorsamste Vorstellung« wohl nie zu Gesicht bekommen hat. Wider alles Erwarten musste Fontane jedoch feststellen, dass Quehl ihm wohlgesonnen war. Er hat dem Dichter im Februar 1851 noch eine Abfindung von 40 Talern verschafft, ein volles Monatsgehalt nach einer Beschäftigung von kaum fünf Monaten. Er hat in der Folge sein Un­terstützungsgesuch befürwortet und ihn im November 1851 wieder einge­stellt, um ihm dann, nach abermals nur fünf Monaten, eine halbjährige Beurlaubung für seine zweite Londonreise zu gewähren, und das bei vollen (wiewohl ziemlich mäßigen) Bezügen. Auch dass Fontane zu Weihnachten 1851 und 1852 jeweils eine Sondergratifikation in Höhe von 20 Talern er­hielt, geht auf Quehls Fürsorge zurück. 48 Über die Gründe dieser Großzügigkeit läßt sich nur spekulieren. Mög­lich, dass Quehl sich seiner eigenen literarischen Ambitionen erinnerte, und sicher, dass er Gefallen an der Gönnerpose fand, was mit ein Grund dafür gewesen sein dürfte, dass Fontane seine Befangenheit ihm gegenüber nie ganz verloren hat. Eine tiefe Unbehaglichkeit hinterließ der Leiter der Cen­tralstelle mit seiner salbungsvollen Beflissenheit vor allem auch bei der Ehefrau des Dichters, die während der Abwesenheit ihres Mannes in Lon­don einmal wegen einer Verlängerung seiner Beurlaubung bei ihm vor­sprechen musste und noch Jahre später nur mit Schaudern daran zurück­denken konnte. 49 Dankbar waren ihm beide Eheleute aber trotz alledem. Um so bedauerlicher bleibt es, dass Fontane nicht mehr dazugekommen ist, seine Zeit im Presseamt in einem dritten Memoirenband ausführlicher zu schildern. Von Quehl hätte er mit Sicherheit allerlei Interessantes und Amüsantes zu erzählen gehabt. Mehr Manteuffel-Loyalist als bekennender Konservati­ver, hatte sich der Emporkömmling nämlich weitaus mächtigere Feinde ge­macht als die nachrangigen Schreiberlinge im Presseamt. Auf seinem Weg an die Spitze war dem Ministerpräsidenten 1850 die publizistische Schüt­zenhilfe der Kreuzzeitung willkommen gewesen; sich seine Politik von der altständisch-feudalen Fraktion diktieren zu lassen, zeigte er jedoch in der Folge wenig Neigung. Dass ihm vielmehr eine pseudokonstitutionelle, unab­hängig über den gesellschaftlichen und politischen Interessengegensätzen operierende Exekutive mit starken Vollmachten vorschwebte, schrieb die reaktionäre Kamarilla hinter dem König vor allem Quehls Einfluss zu. Den Stichwortgeber dieser als ›Bonapartismus‹ verteufelten Politik zu beseiti­gen, die ebenso wie national-deutsche Ambitionen als Spielart der Revoluti­on galt, erschien unabdingbar, um die Reaktionsregierung auf dem ›rech­ten‹ Kurs zu halten. Nur ein halbes Jahr nach dem Triumph über alles, was