Heft 
(2020) 110
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60 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte sich mit dem Namen Radowitz verband, hatte daher die ›kleine, aber mächti­ge Partei‹, wie sie sich selber nannte, im Sommer 1851 zum»Krieg mit Rino Quehl« geblasen 50 , der sich über zwei Jahre hinziehen und mit dessen Ab­schiebung nach Kopenhagen enden sollte. Querelen um Quehl Als erbitterter Gegner des Presseamtsleiters erwies sich vor allem Ferdi­nand von Westphalen, ein Schwager von Karl Marx und Manteuffels Nach­folger als Innenminister, der im Zuge der Wende von Olmütz als Frontmann der Kamarilla in das Kabinett eingetreten war. Schon die Beschneidung seiner Behörde um die Zuständigkeit für die amtliche Presse- und Informa­tionspolitik hatte er nur schwer verwinden können 51 , um so weniger aber die Tatsache, dass er in der Folgezeit mit seinen Gesetzesvorhaben nicht durchdrang. Über den Grund bestand unter Gleichgesinnten kein Zweifel. Manteuffel lasse sich, wie Leopold von Gerlach klagte,»bei jeder Gelegen­heit durch Quehl zu einer sehr üblen, heimlichen und passiven Opposition gegen Westphalen und dessen Maasregeln, die doch das muthigste und beste enthalten, was in unserer Administration seit 1848 geschehn, bewe­gen«. Obwohl maßlos übertrieben, war dieser Vorwurf doch nicht völlig unbegründet, ebensowenig wie die noch weitergehende Behauptung,»daß Quehl die Presse auf das schamloseste gegen Westphalen, Raumer u.s.w. benutzt.« 52 In der Tat lassen sich kleinere Sticheleien dieser Art später auch in Fontanes offiziösen Artikeln nachweisen. Zweifellos war daher Westpha­lens Aversion gegen Quehl mit im Spiel, als er den Dichter im Mai 1851 als politisch unzuverlässig denunzierte. Der Presseamtschef hatte sich nämlich für dessen finanzielle Unterstützung eingesetzt, die der Innenminister mit seiner Intervention zu torpedieren suchte. Die anhaltende Rivalität zwi­schen beiden neutralisierte jedoch die Wirkung dieses Manövers. Westpha­lens Einwand, dass Fontanes Gesinnungen»nicht ganz lauter« seien 53 , wur­de zwar zu den Akten genommen, hinderte Quehl aber nicht, ihn wieder einzustellen, sobald sich im Herbst eine Gelegenheit dazu bot. Überhaupt steht das Porträt der Centralstelle als einer effizienten Trup­pe linientreuer Reaktionäre, wie es sich durch Teile der jüngeren Fontane­Literatur zieht, in grellem Kontrast zu dem Argwohn, mit dem ihre Tätig­keit auf der zeitgenössischen Rechten beäugt wurde. Oberpräsident Hans Hugo von Kleist zum Beispiel, der sich vergeblich bemühte, die Rheinpro­vinz auf pommerschen Kurs zu bringen, attestierte Quehl den Ruf»eines Beschützers von Schriftstellern mit übler Vergangenheit«. 54 Dass der Leiter der Centralstelle wiederholt kompromittierte Demokraten gefördert habe, »aus Eitelkeit oder Laune«, möglicherweise aber auch»aus Rücksichten«, steht ähnlich in Varnhagen von Enses Tagebuch. 55 Und Bismarck klagte