Heft 
(2020) 110
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Fontanes Fronde gegen Manteuffel  Muhs 61 noch im Mai 1854, also lange nach dem Wechsel an der Behördenspitze, »der demokratische Bodensatz, der sich zu Quehls Zeit in unsrer Staats­Preß-Clique abgelagert hat«, missbrauche weiterhin seine amtliche Stel­lung, um die öffentliche Meinung in die aus seiner Sicht falsche Richtung zu lenken. 56 Im Ernst konnte davon natürlich keine Rede sein, weder was die politischen Überzeugungen der Mitarbeiter anging, die allesamt mehr Konjunkturritter waren als Gesinnungstäter, noch auch ihre Einflussmög­lichkeiten. Als wahrer Kern dieser Wahnvorstellungen lässt sich lediglich herausschälen, dass die Centralstelle selbst unter Metzel nicht einfach auf Linie der doktrinären Reaktionäre segelte. Um so mehr darf es überraschen, dass ein Mann wie Quehl, dem der geballte Hass des Kreises um die Kreuzzeitung galt und den selbst der Kö­nig gern als»Scheißkerl« bezeichnete 57 , sich zweieinhalb Jahre lang als engster Mitarbeiter des Ministerpräsidenten halten konnte. Auf entspre­chende Ansinnen hatte Manteuffel stets erklärt, eher selbst zurücktreten als seinen Pressechef fallenlassen zu wollen. Tatsächlich legte er, als der Druck im Sommer 1853 unwiderstehlich wurde, die Regierungsgeschäfte nieder und zog sich auf seine Güter zurück. Bismarck, dem dieser»Streit über das Halten oder Fallenlassen einer verhältnismäßig untergeordneten Persönlichkeit« noch in seinen Memoiren einige Seiten wert war 58 , gelang es jedoch, den Premier zur Rückkehr nach Berlin zu bewegen und zugleich das Ärgernis Quehl zu beseitigen, dessen Umtriebigkeit er mit einer sommerli­chen Mückenplage verglich:»Das Schlagen danach irritiert einen mehr als ihr Stechen«. 59 Anders als seine in ihrer Verfolgungswut geradezu hysteri­schen Gesinnungsgenossen wusste er nämlich Zweck und Mittel zu unter­scheiden. Statt ihm die Existenz nehmen zu wollen, appellierte der künftige Reichsgründer, der schon damals etwas zynischer war, an Quehls Geld- und Geltungsbedürfnis und sorgte für seine Beförderung auf einen höher do­tierten diplomatischen Posten. Hauptsache, man war ihn los. So landete der gewesene Direktor der Centralstelle als Generalkonsul in Kopenhagen, wo er bis 1864, dem Zeitpunkt seines frühen Todes im Alter von nur 43 Jahren, tätig blieb. Dass sich Fontane im Dezember 1850 eingemischt hatte, war ihm nach eigener Überzeugung schlecht bekommen. Durch Schaden klug geworden auch wenn es nur ein eingebildeter Schaden war suchte er 1853 jede Ver­wicklung in das neuerliche Gerangel um Quehl zu vermeiden. Dass dies auf die ohnehin labile Gesundheit des Dichters durchschlug, ist in Anbetracht seiner psychosomatischen Veranlagung nicht auszuschließen. Jedenfalls war er just zu jener Zeit, als Quehls Schicksal auf der Kippe stand und sich in der Centralstelle abermals Fraktionen formierten, zwei Monate lang krank­heitshalber beurlaubt. Von den Weiterungen blieb Fontane gleichwohl nicht verschont. Kaum war sein Gönner von der Bildfläche verschwunden, erhielt er am 14. Okto-