64 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte Vom Ereignis zur Erinnerung Manteuffel hatte aber nicht nur»eine Tendenz nach unten«, wie Leopold von Gerlach indigniert, aber zutreffend einmal bemerkte 68 , er inspirierte auch ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit in seinen Kreaturen, die nur zu gut wußten, was sie ihm zu verdanken hatten. Quehl, Cassel und Roerdansz unterschieden sich in dieser Hinsicht nicht sonderlich von Fontane, der dem gestürzten Ministerpräsidenten 1858 ja auch zunächst die»Treue halten« wollte, weil der ihm»persönlich Gutes gethan« hatte. 69 Diese emotional begründete Loyalität überlagerte, zumindest zeitweilig, seine politischen Überzeugungen, denn dass er über die Jahre hinweg grosso modo dieselben Positionen vertreten hatte wie Radowitz, wie Merckel und die Wochenblattpartei und wie nun die Männer der»Neuen Ära«, war ihm sehr wohl bewusst. Das gilt gleichermaßen für seine innenpreußischen Präferenzen –»Front machend gegen Absolutismus und Demokratentum« 70 – wie für die Befürwortung einer aktiven Deutschlandpolitik, deren kampflose Aufgabe in Olmütz Fontane immer als erniedrigend empfunden hatte. Seine Befürchtung, man werde dabei zu zögerlich vorgehen, sollte sich indes bald bestätigen. Wie schon 1850 ließ er auch jetzt wieder Ungeduld durchblicken, als es um die Vermittlung der Regierungslinie in der Presse ging. Ein erkennbar auf offiziösen Quellen beruhender Artikel aus seiner Feder mußte im Publikum den Eindruck erwecken, als seien Regent und Regierung zu entschiedeneren Schritten entschlossen, als dies wirklich der Fall war, was an allerhöchster Stelle Anstoß erregte und zu Fontanes Ausschluss aus dem Kreis der Vertrauenskorrespondenten führte. 1859 sollte ihm sein Vorpreschen also wirklich schaden, wenn auch nicht allzusehr, während er sich seinerzeit nur eingebildet hatte, zur Strafe für forsches Auftreten entlassen worden zu sein. Dabei war die»ganz gehorsamste Vorstellung« in Wirklichkeit eher defensiv gewesen, ein halbherziger Versuch der Schadensbegrenzung, nachdem Merckel und Hahn, die antirevolutionär, aber konstitutionell und national gesinnten Leiter der Regierungspresse, sich zurückgezogen hatten und personalpolitische Weiterungen des amtlichen Kurswechsels ins Haus standen, die Status und Einkommen der Mitarbeiter zu beeinträchtigen drohten. Geholfen hatte es freilich alles nichts. Manteuffels Mannen Cassel und Quehl kamen und Fontane musste gehen. Zweifel, ob es nicht leichtfertig gewesen war, seinen kleinen Posten für nichts und wieder nichts aufs Spiel zu setzen, scheinen ihm allerdings schwer zu schaffen gemacht zu haben. So schwieg er lieber über die Zusammenhänge, als er sich Anfang 1851, Unbekümmertheit vortäuschend, im Briefverkehr mit Freunden über seine Entlassung äußerte.
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(2020) 110
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