Heft 
(2020) 110
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»Eine offene Beleidigung« Jantzen 73 und Ruth, erhellen ihm den Lebensabend. Er ist aber trotz seiner 73 Jahre noch sehr rüstig. Die anderen Insassen seines Hauses bilden ein buntes Ge­misch. Sie erinnern einen Fremden an einen Käfig in San Francisco, in wel­chem eine Schlange, ein Vogel und eine Katze friedlich neben einander ge­haust hätten unter der Inschrift:»A happy family.« Da ist eine alte Dienerin, Maruschka, polnischer Abkunft und katholischen Glaubens, eine lutheri­sche Familie Kaulbars, aus der Nogatgegend  in Preussen, welche viel auf den Soldatenstand hält; ein Franzose, der als blasierter Weltmann den Pfaf­fengott  aus seinem Katechismus beseitigt hat, trotzdem aber die religiö­sen Übungen als beobachtender Philosoph des Bestehenden mitmacht. Der Geist des Hauses ist der alte Obadja, der keinen solcher Sonderlinge fort­weist, so lange sie sich mit ihm und seinen Ordnungen friedlich vertragen. Er glaubt, daß  Gott ihm sein Hauspersonal zugeführt  hat und daß  auch wohl für  den spöttelnden Franzosen noch eine Gnadenstunde kommen kann. Im Ganzen erscheint er als ein schlau seine Vorteile berechnender Kirchenfürst, der»Hohepriester« von Nogat-Ehre. Er hat einen feinen Sinn für  die Tafelfreuden und kann es gut ertragen, wenn zur Weihnachtszeit Hühner und Gänse gejagt und gerupft werden. Er versteht es, sein Vermö­gen zu vermehren. Kaulbars ergeht sich gelegentlich so über ihn:»Er ist ja einer von die Besten, aber höre, so viel bleibt doch, wo Bartel Most holt, das weiß er ganz gut und auch, daß die Spargelköppe besser schmecken als die Stangen und in Denver hat er was in der Bank liegen und in Galveston und in Amsterdam und überall hat er was liegen; wenn einer aber immer da­steht wie:»vom Himmel hoch, da komm ich her,» da muß er nicht rechnen können wien Bankdirector. Obadja selbst spricht sich über seine Stellung so aus:»Der macht sich am nützlichsten, der arbeitet und den Wald und das Heidentum ausrodet und den Glauben an Jesum Christum unsern Erlö­ser an seine Stelle setzt. Ja, der dient ihm am besten, der Ordnung hält und schafft und nichts zu Grunde gehen läßt.« Beim Beginn einer Andacht sagt Obadja:»Lasset uns beten. Das Gebet heiligt uns und macht unsere Seele frei. Das Gebet macht uns jeden Tag zum Feiertag. Ohne Gebet wäre  unser Leben ein Haus ohne Dach, ein Garten ohne Blumen. Was Benjamin Franklin von der Mäßigkeit sagt, das sag ich von der Frömmigkeit: sie bringt Kohlen zum Feuer, in das Haus, Kleider für die Kinder, Mehl in das Mehlfaß, Geld in den Beutel, Kredit bei der Welt, Zufriedenheit in das Haus, Kleider für die Kinder, Verstand ins Gehirn und Leben in alle Verhältnisse. Das sind die Wunder der Frömmigkeit und das Gebet ist unser Beistand und unsere Hilfe dazu!« So und anders phantasiert Fontane über  einen mennonitischen Land­pfarrer. Daß er dazu keine solche Studien gemacht hat, wie zu seinen»Wan­derungen durch die Mark Brandenburg« muß uns sofort einleuchten. Er ist in der Topographie des amerikanischen Teils seiner Geschichte schlecht