»Eine offene Beleidigung« Jantzen 73 und Ruth, erhellen ihm den Lebensabend. Er ist aber trotz seiner 73 Jahre noch sehr rüstig. Die anderen Insassen seines Hauses bilden ein buntes Gemisch. Sie erinnern einen Fremden an einen Käfig in San Francisco, in welchem eine Schlange, ein Vogel und eine Katze friedlich neben einander gehaust hätten unter der Inschrift:»A happy family.« Da ist eine alte Dienerin, Maruschka, polnischer Abkunft und katholischen Glaubens, eine lutherische Familie Kaulbars, aus der Nogatgegend in Preussen, welche viel auf den Soldatenstand hält; ein Franzose, der als blasierter Weltmann den Pfaffengott aus seinem Katechismus beseitigt hat, trotzdem aber die religiösen Übungen als beobachtender Philosoph des Bestehenden mitmacht. Der Geist des Hauses ist der alte Obadja, der keinen solcher Sonderlinge fortweist, so lange sie sich mit ihm und seinen Ordnungen friedlich vertragen. Er glaubt, daß Gott ihm sein Hauspersonal zugeführt hat und daß auch wohl für den spöttelnden Franzosen noch eine Gnadenstunde kommen kann. Im Ganzen erscheint er als ein schlau seine Vorteile berechnender Kirchenfürst, der»Hohepriester« von Nogat-Ehre. Er hat einen feinen Sinn für die Tafelfreuden und kann es gut ertragen, wenn zur Weihnachtszeit Hühner und Gänse gejagt und gerupft werden. Er versteht es, sein Vermögen zu vermehren. Kaulbars ergeht sich gelegentlich so über ihn:»Er ist ja einer von die Besten, aber höre, so viel bleibt doch, wo Bartel Most holt, das weiß er ganz gut und auch, daß die Spargelköppe besser schmecken als die Stangen und in Denver hat er was in der Bank liegen und in Galveston und in Amsterdam und überall hat er was liegen; – wenn einer aber immer dasteht wie:»vom Himmel hoch, da komm ich her,» da muß er nicht rechnen können wie‘n Bankdirector. Obadja selbst spricht sich über seine Stellung so aus:»Der macht sich am nützlichsten, der arbeitet und den Wald und das Heidentum ausrodet und den Glauben an Jesum Christum unsern Erlöser an seine Stelle setzt. Ja, der dient ihm am besten, der Ordnung hält und schafft und nichts zu Grunde gehen läßt.« Beim Beginn einer Andacht sagt Obadja:»Lasset uns beten. Das Gebet heiligt uns und macht unsere Seele frei. Das Gebet macht uns jeden Tag zum Feiertag. Ohne Gebet wäre unser Leben ein Haus ohne Dach, ein Garten ohne Blumen. Was Benjamin Franklin von der Mäßigkeit sagt, das sag ich von der Frömmigkeit: sie bringt Kohlen zum Feuer, in das Haus, Kleider für die Kinder, Mehl in das Mehlfaß, Geld in den Beutel, Kredit bei der Welt, Zufriedenheit in das Haus, Kleider für die Kinder, Verstand ins Gehirn und Leben in alle Verhältnisse. Das sind die Wunder der Frömmigkeit und das Gebet ist unser Beistand und unsere Hilfe dazu!« So und anders phantasiert Fontane über einen mennonitischen Landpfarrer. Daß er dazu keine solche Studien gemacht hat, wie zu seinen»Wanderungen durch die Mark Brandenburg« – muß uns sofort einleuchten. Er ist in der Topographie des amerikanischen Teils seiner Geschichte schlecht
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(2020) 110
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