Heft 
(2020) 110
Einzelbild herunterladen

Abednego, der Pfandleiher Brechenmacher 91 mit der Übersetzung befasste, war das im Besitz des Märkischen Museums gewesene Manuskript verschollen, und lediglich noch ein von Fontanes Sohn Friedrich veranlasstes»schwerlich völlig zuverlässiges« 6 Typo­skript vorhanden, das heute im Theodor Fontane-Archiv aufbewahrt wird. 7 Die Aufmerksamkeit der Fontane-Forschung hat diese frühe Arbeit bis­her eher nur als Kuriosum am Rande wecken können. Außer Pniower und Nürnberger hat sich niemand die Money-lender-Übersetzung näher angese­hen. Auch Michael Fleischer widmete ihr in seiner Studie über»Fontane und die ›Judenfrage‹« lediglich einen knappen, wenig aussagekräftigen Absatz. 8 Frauen spielen von dem Umstand abgesehen, dass der Roman von einer Autorin stammte in dem Roman durchaus nicht die Hauptrolle; in seinem Zentrum steht die Figur eines Geldverleihers und Finanziers jüdischer Ab­stammung in London:»the Money-lender«, in Fontanes Übersetzung durch die Titelnennung des ›preziösen‹ biblischen Namens 9 noch mehr ins Licht gerückt: Abednego, der Pfandleiher. Aus dem Englischen der Mrs. Gore. Die erste Buchausgabe des Romans war 1843 erschienen, 10 und eine viel spätere Tagebuchnotiz Fontanes von 1873 datiert seine Übersetzung angefertigt vielleicht nach einem Zeitschriften-Vorabdruck auf seinen Aufenthalt beim Vater in ­Letschin in der zweiten Jahreshälfte 1843, also noch vor seiner ers­ten kurzen England-Reise 1844. 11 Auch diese Rückerinnerung Fontanes in einer dreißig Jahre späteren spontanen Reisenotiz wird mit einem Rest Vorsicht zu genießen sein(der Letschin-Aufenthalt 1843 zog sich weit ins Frühjahr 1844 hinein, und auch für 1845 und 1846 sind längere Phasen in Letschin belegt). Den sicheren terminus ad quem des gänzlich undatiert ge­wesenen Manuskripts liefert dessen Erwähnung im Wolfsohn-Briefwech­sel(Februar 1851). Pniower wie Nürnberger vermuteten eine frühere Ent­stehung,»zwischen 1844 und 1850«. 12 Das Erscheinen der ersten deutschen Übersetzung des Romans durch Ludwig Hauff, 1846 13 musste zweifellos je­den weiteren Übersetzungsversuch mit dem Ziel einer Veröffentlichung sinnlos erscheinen lassen. Unter der Annahme, dass Fontane diese Voraus­setzung geklärt hat, bevor er mit der Arbeit begann, wäre der Entstehungs­zeitraum noch weiter einzugrenzen, nämlich zwischen 1843 und 1846. Warum Fontane ausgerechnet diesen Roman ein Produkt des in Eng­land in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wuchernden Genres der fa­shionable novel 14 für eine umfangreiche Übersetzungsarbeit wählte, wel­che Erwartungen er mit der nicht unerheblichen Anstrengung verband und warum ein Druck der Übersetzung unter der Nennung seines Namens un­terblieb, muss nach wie vor der Spekulation überlassen bleiben. Die auch poetologisch durchaus ambitionierte Übertragung denn von einer bloßen Übersetzung kann nicht die Rede sein weist darauf hin, dass Fontanes An­spruch auf jeden Fall weiter ging als nur in Richtung einer englisch-deut­schen Sprach-Stilübung. 15 Grundsätzlich war das Übersetzen für angehende Literaten jener Zeit gang und gäbe; es diente dazu, die eigene Literatur-