Heft 
(2020) 110
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Abednego, der Pfandleiher Brechenmacher 95 Konversion stets ›der Jude‹, dem Aussehen wie dem Namen nach. Auf der englischen Eliteschule war er dem Mobbing der Adelssöhne ausgesetzt; die angestrebte Parlamentarierkarriere als Voraussetzung seiner Heirat schei­terte an einer Intrige. Abednego entdeckte in all den Demütigungen ›das Gold‹ als den einzigen Gott, der es ihm erlaubte, seine herausragenden Fä­higkeiten zu verwirklichen und Rache zu nehmen an dem sozialen Umfeld, das ihn immer nur zurückstieß. Kalt ökonomisch begann er die Möglichkei­ten des Geldes für sich zu nutzen und exekutierte fortan die Bankrotte des verkommenen Adels. Ungerecht und hart aber verhielt er sich gegen dieje­nigen, die ihn eigentlich liebten gegen Basils spätere Mutter, die einen anderen aus Pflicht heiratete, Abednego jedoch in Weltabgewandtheit und Stolz die Treue hielt, und gegen die eigene Schwester, die jenen armen Ma­ler ehelichte und der er jegliche Unterstützung entzog. Er selbst entsagte der Welt nach einer Phase exzessiver Ausschweifung, indem er sich einer rigiden Askese unterzog, die ihn ungeachtet seines extremen Reichtums jederzeit als Bettler leben ließ. Das Erscheinen Basils, von dem A.O. sehr wohl weiß, wer dieser junge Mann ist, erweckt in Abednego längst in sich abgetötet geglaubte Gefühle. Basil könnte A.O.s Sohn sein; diese Möglichkeit hält der Roman dem Leser lange offen, bevor er enthüllt, dass Basil im Kreis der Familie ›nur‹ als Frucht der unstatthaften Liebe zwischen Basils Mutter und Abednego de­nunziert wurde(was den wirklichen Vater in den Tod, die Mutter in Depres­sion und Isolation trieb). So kann aber A.O. Basil schließlich fast wie einen Sohn annehmen, kann die Aussöhnung mit seinem Schwager, dem Maler, und dessen Ehefrau, seiner Schwester, suchen und dazu beitragen, die Ver­heiratung deren älterer Tochter mit Basil ins Werk zu setzen. Zuletzt findet A.O. Gnade und Verzeihung in den Augen von Basils Mutter, seiner ersten und einzigen Liebe. Vor dem versöhnlichen Abschluss mit Basils endlicher Eheschließung zieht Gore in ihren Roman noch eine etwas umständliche Schleife ein, in der Abednego eine ausgedehnte Reise nach Deutschland antritt, um die Verhältnisse des dort politisch verfolgten Malers zu ordnen und überdies die Heirat dessen zweiter Tochter mit einem deutschen Grafen von Ehrenstein anzubahnen. Schließlich kehrt er, etwas pikardesk, unter einem Phantasienamen zurück, beschämt jene britischen Adelsfamilien, die ihn früher verachteten, und setzt Basil zum Erben eines Teils seines bedeu­tenden Vermögens ein. Am Ende sind die tragischen Verstrickungen aufge­löst, ist A.O. zum Wohltäter geworden. Für Fontanes schon früh ausgebildetes literarisches Form- und Tempo­gefühl spricht seine Bearbeitung des Romanschlusses. Nicht auszuschlie­ßen, dass er der langen Arbeit überdrüssig war und zum Abschluss kom­men wollte; mit welcher Motivation auch immer, ging er dabei durchaus ›fontanesk‹ zu Werke: Er strich die letzten vier Kapitel Gores radikal zusam­men, entfernte vor allem die ausgefranste Erzählung von der Deutschland-