Abednego, der Pfandleiher Brechenmacher 95 Konversion stets ›der Jude‹, dem Aussehen wie dem Namen nach. Auf der englischen Eliteschule war er dem Mobbing der Adelssöhne ausgesetzt; die angestrebte Parlamentarierkarriere als Voraussetzung seiner Heirat scheiterte an einer Intrige. Abednego entdeckte in all den Demütigungen ›das Gold‹ als den einzigen Gott, der es ihm erlaubte, seine herausragenden Fähigkeiten zu verwirklichen und Rache zu nehmen an dem sozialen Umfeld, das ihn immer nur zurückstieß. Kalt ökonomisch begann er die Möglichkeiten des Geldes für sich zu nutzen und exekutierte fortan die Bankrotte des verkommenen Adels. Ungerecht und hart aber verhielt er sich gegen diejenigen, die ihn eigentlich liebten – gegen Basils spätere Mutter, die einen anderen aus Pflicht heiratete, Abednego jedoch in Weltabgewandtheit und Stolz die Treue hielt, und gegen die eigene Schwester, die jenen armen Maler ehelichte und der er jegliche Unterstützung entzog. Er selbst entsagte der Welt nach einer Phase exzessiver Ausschweifung, indem er sich einer rigiden Askese unterzog, die ihn ungeachtet seines extremen Reichtums jederzeit als Bettler leben ließ. Das Erscheinen Basils, von dem A.O. sehr wohl weiß, wer dieser junge Mann ist, erweckt in Abednego längst in sich abgetötet geglaubte Gefühle. Basil könnte A.O.s Sohn sein; diese Möglichkeit hält der Roman dem Leser lange offen, bevor er enthüllt, dass Basil im Kreis der Familie ›nur‹ als Frucht der unstatthaften Liebe zwischen Basils Mutter und Abednego denunziert wurde(was den wirklichen Vater in den Tod, die Mutter in Depression und Isolation trieb). So kann aber A.O. Basil schließlich fast wie einen Sohn annehmen, kann die Aussöhnung mit seinem Schwager, dem Maler, und dessen Ehefrau, seiner Schwester, suchen und dazu beitragen, die Verheiratung deren älterer Tochter mit Basil ins Werk zu setzen. Zuletzt findet A.O. Gnade und Verzeihung in den Augen von Basils Mutter, seiner ersten und einzigen Liebe. Vor dem versöhnlichen Abschluss mit Basils endlicher Eheschließung zieht Gore in ihren Roman noch eine etwas umständliche Schleife ein, in der Abednego eine ausgedehnte Reise nach Deutschland antritt, um die Verhältnisse des dort politisch verfolgten Malers zu ordnen und überdies die Heirat dessen zweiter Tochter mit einem deutschen Grafen von Ehrenstein anzubahnen. Schließlich kehrt er, etwas pikardesk, unter einem Phantasienamen zurück, beschämt jene britischen Adelsfamilien, die ihn früher verachteten, und setzt Basil zum Erben eines Teils seines bedeutenden Vermögens ein. Am Ende sind die tragischen Verstrickungen aufgelöst, ist A.O. zum Wohltäter geworden. Für Fontanes schon früh ausgebildetes literarisches Form- und Tempogefühl spricht seine Bearbeitung des Romanschlusses. Nicht auszuschließen, dass er der langen Arbeit überdrüssig war und zum Abschluss kommen wollte; mit welcher Motivation auch immer, ging er dabei durchaus ›fontanesk‹ zu Werke: Er strich die letzten vier Kapitel Gores radikal zusammen, entfernte vor allem die ausgefranste Erzählung von der Deutschland-
Heft
(2020) 110
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