96 Fontane Blätter 110 Literaturgeschichtliches, Interpretationen, Kontexte reise Abednegos und führte die Kernhandlung zu einem raschen Ende. 29 Die Trivialität eines ›Ende-gut-alles-gut‹ vermied er, indem er A.O.s weitere Zukunft der Offenheit eines Hörensagens aus unterschiedlichen Perspektiven überantwortete und nur sehr subtil einen Hinweis auf ein spätes Glück zwischen Basils Mutter und Abednego gab. Die letzten Absätze des Manuskripts sind ›ganz Fontane‹, ›Gore‹ hingegen nur noch in inhaltlichen Anklängen: Es war der aufrichtige Wunsch Beider[der frisch Vermählten Basil und Esther], den Mann, dem sie vorzugsweise ihr Glück verdankten, stets in ihrem Hause zu sehn, doch unmittelbar nach der feierlichen Handlung hatte Abednego Osalez England verlassen, und keinen Zeitpunkt festgesetzt, bis wann er zurückgekehrt sein wolle. Basil hält sich überzeugt, dass Abednego’s plötzliche Abreise die Folge einer, mit der Lady Annesley abgehaltenen Unterredung sei, in der dieselbe mit gewohnter Festigkeit und Würde die Unmöglichkeit eines näheren Verhältnisses zwischen ihr und dem Manne ihrer ersten und einzigen Liebe dargethan habe, – und bezweifelt deshalb die Rückkehr seines Freundes nach England. Esther schiebt seiner Reise einen anderen Beweggrund unter. Sie glaubt, er sei nach Deutschland aufgebrochen, um Verelst[den Maler, ihren Vater] vor jeder polizeilichen Verfolgung zu sichern, wenn er, als politischer Flüchtling, jemals in seine Heimath zurückkehren sollte. Zudem hofft sie, dass er die Familie des Grafen Ehrenstein bekehren und somit auch Salome’n[ihre Schwester] bald zur glücklichen Gattin machen werde. Lady Annesley, obschon sie häufig ihren Gast besucht, lebt nach wie vor im Halbdunkel des stillen, alten Herrenhauses, und horcht auf die Vermuthungen, die jedes Mitglied der Familie, über Abednego’s Verschwinden, in seiner eigenen Weise hegt. Sie ist der Meinung, dass er seine Abwesenheit lediglich benutzen werde, um jedes Verhältnis abzubrechen, das ihn dermaleinst, mehr oder weniger unangenehm, an seinen früheren Beruf erinnern könne. Treue und thätige Agenten arbeiten in der That bereits an einer Centralisation seines Vermögens, und erstehen dafür einen bedeutenden Grundbesitz. Sollte sich die Hartnäckigkeit eines Mannens[sic], die Zeit seines Lebens von Einfluss auf ihn gewesen ist, bis zu seiner Rückkehr nach England in so weit gemildert haben, dass er sich zur Annahme eines anderen, vielleicht seiner Besitzung entlehnten Namens entschliessen kann, so dürfte bald Niemand in dem feingebildeten Land-Edelmann den ehemaligen Pfandleiher A.O. vermuthen. 30
Heft
(2020) 110
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